Rezension

Sprachgewaltig und ausdrucksstark

Leinsee
von Anne Reinecke

Bewertet mit 5 Sternen

„Leinsee“ ist der gelungene Debütroman von Anne Reinecke.

Karl ist der Sohn des Künstlerehepaares Ada und August Stiegenhauer. Bereits mit knapp 30 Jahren ist auch er schon in der Künstlerszene von Berlin bekannt. Die Liebe seiner Eltern hat er nie wirklich gespürt, da sie ihn bereits früh in ein Internat abgeschoben haben. Nun ist August tot und Ada liegt nach einer schweren Gehirn-OP mit geringen Überlebenschancen im Krankenhaus.

Karl ist auf dem Weg nach Hause an den Leinsee, wo er bereits seit Jahren nicht mehr gewesen ist, um die Beerdigung seines Vaters zu organisieren und seine Mutter nochmals zu sehen. Dort lernet er ein kleines Mädchen – die achtjährige Tanja – kennen und ausgerechnet sie ist es, wegen der er nicht nach Berlin zurückkehrt, die ihm in seinem ins wankende geratende Weltbild Stabilität gibt und ihn inspiriert.

In dem Buch werden eine Menge unterschiedliche Dinge thematisiert. Es geht um Beziehungen zwischen Eltern und Kind, unter Freunden, Geschäftspartnern und  der Suche nach Heimat, Schutz, Aufmerksamkeit und der Elternliebe.

Die Charaktere werden fassettenreich beschrieben, sind keineswegs perfekt und wirken authentisch. Einige sind sympathisch, andere eher anstrengend. Auch die Umgebung wird detailliert beschrieben und insbesondere bei den Kunstwerken entstanden bei mir die Bilder im Kopf und ich hatte sie direkt vor Augen.

Die Sprache der Autorin ist beeindruckend und ungewöhnlich. Sie schafft es mit nur wenigen Worten unglaublich viel auszudrücken. Ihr Schreibstil ist ausdrucksstark, lebendig und durch die bildhafte Sprache Kopfkino pur.

Auch wenn die Geschichte von Karl, der erst noch sich selbst finden muss, einsam ist und dem die Liebe seiner Eltern fehlte eher bedrückend ist, bringt Anne Reinecke durch Humor und Sarkasmus eine angenehme Leichtigkeit in das Geschriebene, so dass sich das Buch angenehm und flüssig lesen lässt.

Das Ende ist stimmig und die Entwicklung der Charaktere passend, aber es bleiben einige Fragen offen, die Platz für eigene Gedanken lassen.

Die Farbüberschriften der einzelnen Kapitel sind ein tolles Highlight und ein schöner Eyecatcher, der sich durchzieht und mir sehr gut gefiel.

Insgesamt ist das Buch ein geniales Debüt, das ich nicht so schnell vergessen werde.