Rezension

Spurlos verschwunden...

Passagier 23
von Sebastian Fitzek

Bewertet mit 4.5 Sternen

„Schwartz wusste, es war dieses an und für sich unlösbare Problem, weshalb er überhaupt für diesen Einsatz ausgewählt worden war. Seit dem Tod seiner Familie galt er in Polizeikreisen als tickende Zeitbombe. Ein verdeckter Ermittler, der mit achtunddreißig Jahren in seinem Beruf stramm dem Rentenalter entgegenmarschierte und dem das Wichtigste fehlte, was ihn und sein Team im Notfall am Leben hielt: das Angstempfinden.“

Martin Schwartz, Polizeipsychologe, hat vor fünf Jahren seine Frau und seinen Sohn verloren – bei einem Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff, der „Sultan of the sea“ kamen beide ums Leben. Jedenfalls muss davon ausgegangen werden, denn sie verschwanden spurlos. Die näheren Umstände konnten nie völlig geklärt werden – auch Martin musste irgendwann seine Nachforschungen aufgeben. Seitdem kann er dem Leben nicht mehr viel abgewinnen und lässt sich auf die wildesten Himmelfahrtskommandos ein.

Sein Vorsatz, nie mehr einen Fuß auf ein Kreuzfahrtschiff zu setzen, kommt jedoch ins Wanken, als er einen eigenartigen Anruf erhält: Eine unbekannte Frau erklärt ihm, er müsse sofort an Bord der „Sultan of the sea“ kommen, es gäbe neue Hinweise zum Verschwinden seiner Familie. Ein kleines Mädchen, das acht Wochen zuvor ebenfalls gemeinsam mit seiner Mutter verschwand und für tot gehalten wurde, ist plötzlich wieder aufgetaucht. Eines Tages stand sie in einem Gang der „Sultan“, auf dem Arm den Teddy von Martins Sohn…

 

Ich hatte mich sehr auf diesen neuen Thriller von Fitzek gefreut – und ich wurde nicht enttäuscht. Wie erwartet bzw. erhofft konstruiert Fitzek ein Szenario, das Spannung, Überraschungen, interessante Fakten und faszinierende psychologische Ansätze enthält.

Noch nie zuvor hatte ich darüber nachgedacht, dass ein Kreuzfahrtschiff der ideale Ort für einen Selbstmord sein könnte. Und noch nie hatte ich davon gehört, dass es tatsächlich nicht selten ist, dass Passagiere während der Reise „verschwinden“. Völlig überrascht schlug ich bei Google nach und stellte fest, dass Fitzek mal wieder ein interessantes Thema ausgegraben hat. In seinem Nachwort geht er darauf noch detailliert ein (sollte daher mitgelesen werden – lohnt sich!) Sicher nicht zu Unrecht mutmaßt er:

„Wahrscheinlich habe ich es mir mit diesem Thriller nun auf ewig mit den etablierten Reedereien versaut. Zu einer Autorenlesung auf eine Kreuzfahrt eingeladen zu werden ist nach »Passagier 23« ungefähr so wahrscheinlich wie der große »Titanic«-Filmabend im Bordkino.“

 

Zu dieser ungewöhnlichen Ausgangshandlung gesellt sich ein nun wirklich total kaputter Ermittler. Kopfschüttelnd weiß der Leser schon sehr bald, dass diesem Mann wirklich alles zuzutrauen ist. Aber auch abseits von selbstzerstörerischen Einsätzen sind seine Fähigkeiten gefragt, schließlich ist er ein erfahrener Psychologe und das wieder aufgetauchte kleine Mädchen macht einen schwer traumatisierten Eindruck. Martin muss versuchen, einen Zugang zu ihr zu finden, doch…

„In solchen Fällen waren Psychologen und Ärzte wie Techniker in Tschernobyl oder Fukushima. Sie konnten das Problem nie wieder vollständig aus der Welt schaffen, höchstens die Folgen der Katastrophe mildern.“

Was Auflösung und Täter angeht, hat Fitzek sich mal wieder interessante Dinge einfallen lassen. Gekonnt lockt er den Leser auf falsche Fährten - ich hatte wieder großen Spaß daran, mich von ihm überraschen zu lassen. Gefreut hab ich mich auch über das Auftauchen eines Charakters aus „Amokspiel“. Wer dieses Buch nicht gelesen hat, muss sich aber nicht sorgen – es gibt keinerlei Verständnisprobleme deshalb. Höchstens bekommt man Lust, anschließend auch noch „Amokspiel“ zu lesen ;-)

 

Fazit: Hochspannend und mal wieder ein faszinierender Trip in menschliche Abgründe.