Rezension

Starke Emotionen starker Frauen - unmöglich, nicht berührt zu sein.

Der Zopf - Laetitia Colombani

Der Zopf
von Laetitia Colombani

Bewertet mit 5 Sternen

Drei Frauen in einer existentiellen Krise. Laetitia Colombani beschreibt Schicksale in Indien, Italien und Kanada - bildhaft und ohne Pathos. Ihre Lebenssituationen könnten unterschiedlicher nicht sein und doch gibt es etwas, das eine Inderin mit einer Kanadierin und einer Italienerin verbindet: Haare. Die Autorin erzählt in ihrem Roman "Der Zopf" aber keineswegs von neuen internationalen Frisurentrend. Am Ende laufen alle Fäden bei Sarah zusammen. Sie ist eine 40-jährige, ehrgeizige Anwältin in Montreal, eine Getriebene, die alles für ihre Karriere tut, nach schwerer Erkrankung jedoch aus ihrem Job gemobbt wird und neu anfangen muss. Colombani erzählt parallel die teils erschütternden Geschichten wagemutiger Frauen, die gezwungen sind, um Selbstbestimmung und individuelles Glück zu kämpfen, wenn sie nicht untergehen wollen. Neben der Kanadierin Sarah sind das die Inderin Smita, eine Analphabetin und wagemutige Streiterin für bessere Chancen für sich und ihre kleine Tochter, und die Italienerin Guilia, die in Palermo den Familienbetrieb, eine Perückenmanufaktur, vor der Pleite retten will. Alle drei stecken auf ihre Weise mitten in einer existentiellen Krise, sie wissen aber nichts voneinander, leben in vollkommen unterschiedlichen Welten - und doch gibt es da etwas, das sie wie ein geflochtener Zopf verbindet. Die titelgebende Metapher passt. Die Geschichte dreier Wege der Emanzipation sind rein fiktiv, wirken aber außerordentlich authentisch, weil sich die Autorin bestens in den Lebenswelten ihrer Protagonisten einzufühlen vermag. Tatsächlich habe sie alle Länder, von denen sie erzählt, selbst bereist, und sich mit indischen Verhältnissen ebenso wie mit der sizilianischen Tradition des Perückenmachens auseinandergesetzt. Abwechselnd widmet die Autorin ihren Amazonen einen jeweils eigenen Erzählstrang. Ihre Sprache ist ohne Pathos und bildhaft. Das lässt über den einen oder anderen sprachlich abgenutzt und altbacken wirkenden Vergleich den sie zieht, hinwegsehen. Derbe Ausdrücke wie "kotzen" oder "vögeln" wären vielleicht auch nicht nötig gewesen. Nach 282 Seiten leben Sarah, Smita und Guilia ein anderes Leben als zu Beginn. Sie haben sich von der Annahme verabschiedet, dass nur das Bestehende Sicherheit gibt, dass es sich lohnt, die Angst vor Veränderung zu überwinden und das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Kunstvoll geflochten. Drei Frauen, drei Leben, drei Kontinente – und dieselbe Sehnsucht nach Freiheit. Wie ein Zopf der geflochten wird, verwebt sich die Geschichte. Das Haar, das Smita dem Gott Vishnu opfert, wird Giulias Rettung sein und Sarah neue Kraft schenken. Das ist emotional und eindrücklich erzählt, allerbeste Frauenunterhaltung!