Rezension

starker mittelteil

Das Bild - Stephen King

Das Bild
von Stephen King

Bewertet mit 5 Sternen

Der Leser wird in die Welt von Rosie entführt. 14 Jahre erträgt sie die brutalen Schikanen ihres Ehemannes. Bisswunden, die verursachte Fehlgeburt, die Rippe in der Lunge und vieles mehr. Irgendwann kommt jedoch der Punkt, an dem sie keine Kraft und Lust mehr hat. Es ist der Tag, an dem Rosie Richtig erscheint, denn Rosie handelt zum ersten Mal richtig ' sie haut ab. Doch Norman ihr Mann kann dies nicht zu lassen. Als Polizist verfügt er über genügend Kenntnisse einen verschwundenen Menschen zu finden. Rosie kommt indessen in einem Frauenhaus unter, findet einen Job, verliebt sich in einen liebevollen Mann, spürt jedoch täglich den näher kommenden Atem ihres Mannes. Bis sie eines Tages die Gewissheit hat, dass er sie gefunden hat. Ein Kampf ums nackte Überleben beginnt nicht nur für Rosie.

Eigentlich mag ich solche Themen gerne lesen. Gewalt in der Ehe / Familie ist kein seltenes Thema und wenn einmal davon absieht, dass der Ehemann in diesem Fall wieder ein Polizist ist, erwartete ich extrem hohe Spannung. Doch dieses Thema von Stephen King, da fragte ich mich schon, wie er es wohl umsetzen würde.

Zu Beginn wird der Leser mit der Situation von Rosie ausführlich vertraut gemacht. Ihr Alltag mit den zahlreichen 'Highlights' wird ausführlich beschrieben, sodass es manchen Leser schon hier an die Nieren gehen wird, was nicht nur an der verursachten Fehlgeburt liegt. Warum Rosie nicht abhaut? Tja, die Realität sieht genauso aus. Aus diesem Grund ist der Leser sofort auf ihrer Seite und fiebert während der gesamten dramatischen Stunden ihrer Flucht mit. Die Erleichterung, als diese gelingt, ist jedoch nicht von langer Dauer, denn ihr Mann ist ihr dicht auf den Fersen. Dadurch ist der Leser jedoch so sehr gefesselt, dass man die zahlreiche, teilweise wirren Gedankengänge, die am Anfang auf jeder Seite kursiv hervorgehoben werden, in Kauf nimmt. Auch wenn ich mich ab und an gefragt habe, ob die Frau nicht einen an der Klatsche hat. Wobei, diese ist nach 14 Jahren Hölle, sicherlich verständlich und nachvollziehbar sind. Es sind halt komische Gedankengänge, wo sie sich Rosie Richtig nennt, und das wirkt eben etwas wirr.

Im Verlauf des Buches wird es immer spannender, aber teilweise auch richtig pervers, wenn man immer neue Details über ihren Mann erfährt. Ab einem gewissen Punkt, macht er sich auf die Suche nach seiner Frau, und erfährt diese Suche aus seiner Sicht. Um es für den Leser übersichtlich zu gestalten, ist auch dieser Teil stets in kursiver Schrift hervorgehoben. Die Gedanken und Handlungen dieses Mannes sind nichts für schwache Nerven. Zum Beispiel beißt er einem anderen Mann sein Geschlechtsteil ab. Aber auch sonst sind die Schilderungen teilweise sehr ekelerregend, wenn sich zum Beispiel eine Frau wehrt, indem sie sich auf sein Gesicht setzt und ihn ins Gesicht pinkelt. Dies sind nur zwei der extremen Beispiele, die in meinen Augen jedoch typisch für King sind.

Typisch für King ist jedoch auch eine Wendung oder der Hang zum Übernatürlichen. In manchen Werken interessant, aber manchmal auf total unpassend, wie in diesem Fall. Statt diesen Psychothriller auf realistische Art aufzubauen und enden zu lassen, baut er in der Mitte des Buches ein Bild ein. Und damit begann der langsame Einstieg in die mystische Welt. Meines Erachtens völlig unpassend. Es nahm dem Buch sämtliche Spannung und ließ es irgendwie unrealistisch und übertrieben erschienen. Statt eines actionreichen Schlusses, wird man in die Fantasie-Welt von Rose Madders entführt, und erlebt einen mystischen Abschluss. Ich persönlich hätte mir hier lieber einen realistischeren und greifbareren Ausgang gewünscht.

Im Grunde besticht die Geschichte lediglich durch einen gelungenen Ansatz und einen extrem starken Mittelteil. Wobei sicherlich nur Frauen so denken. Männer werden von diesem Buch sicherlich vorab schon abgeschreckt werden, denn der sadistische Protagonist und die Protagonistin, die zur starken Persönlichkeit heranwächst, ist nicht unbedingt ein Männerthema.

Die Protagonisten selbst sind lebendig, verständlich und menschlich. Es gibt sicherlich einige, die die Handlungen und Gedanken sowohl von Norman, als auch Rosie nicht nachvollziehen können, aber jeder, der selbst Gewalt in der Familie kennengelernt hat, wird wissen, dass diese Rollen und Verhalten typisch sind. Aus diesem Verhalten auszubrechen ist wahnsinnig schwer, sodass ich es bemerkenswert finde, wie gut der Autor alles beschreibt. King hat sich hier eine Menge Gedanken gemacht, erstklassig recherchiert und nicht untertrieben. Daher finde ich es ja so schade, dass zum Schluss die erstklassigen Charaktere durch den Fantasy-Abschluss ins Lächerliche gezogen werden.

Auch seine sonstigen Beschreibungen können durch den detaillierten Stil bestehen. Man sieht alles direkt vor seinem Auge. Schauplätze, Dinge und Handlungen sind greifbar. Theoretisch ein erstklassiger Psychothriller den ich Stephen King ehrlich gesagt nie zugetraut hätte, da ich sonst nur Horror-Romane aus seiner Feder kenne und liebe.

Im Großen und Ganzen hat mich King auch hier überzeugt. Lediglich der Ausgang des Buches, und der Mystery-Anteil passt mir persönlich nicht. Es ist eine Frage des Geschmacks, aber ich hätte es besser gefunden, wenn er hier mehr Wert auf einen realistischen Schluss wert gelegt hätte. Trotzdem kann ich das Werk ohne wenn und aber empfehlen.