Rezension

Starker Roman mit harten Inhalten

Der Ruf des Kiwis - Sarah Lark

Der Ruf des Kiwis
von Sarah Lark

Schonungslose Wahrheiten am Fließband.

Ich habe noch nie ein Buch gelesen, das in Neuseeland spielt – oder zumindest ist mir keines bewusst. Umso erfreuter war ich, als ich in einer Bahnhofsbuchhandlung „Der Ruf des Kiwis“ in die Hände fiel, ein über- 800- Seiten- Wälzer, der mir für die beiden langen Zugfahrten innerhalb einer Woche genau richtig erschien.

Bevor ich es kaufte, ergoogelte ich mir einige Facts zu dem Roman und wurde von der Tatsache verblüfft, dass sich hinter dem Pseudonym „Sarah Lark“ die deutsche Schriftstellerin Christiane Gohl verbirgt, eine Heldin meiner Kindheit mit ihren zahlreichen Pferde-Mädchen- Romanen. Ich war erstmal skeptisch, schließlich passten diese Bücher so gar nicht zu dem, was ich den Händen hielt (vermutlich schreibt die Dame auch genau deshalb unter einem Pseudonym) – kaufte es dann aber doch.

Zum Inhalt: Gloria Martyn wächst auf Kiward Station, einer Farm in Neuseeland auf. Zu ihren Eltern, die als Künstler und Musiker durch Europa und die USA
reisen, hat sie kaum Kontakt. Stattdessen führt sie mit ihrer Großmutter und einem Maori- Stamm auf der Farm ein friedliches Leben.
Dies wird allerdings jäh unterbrochen, als ihre Eltern beschließen, sie in ein englisches Mädcheninternat zu schicken, um ihr eine angemessene Bildung zu
ermöglichen.

Zusammen mit Großcousine Lilian macht sich Gloria dann auch auf den beschwerlichen Weg nach Großbritannien – und das Anfang des 20. Jahrhunderts,
als das Reisen, und ganz besonders das Reisen mit dem Schiff, noch nicht besonders komfortabel war.

In England angekommen, erlebt Gloria ihre persönliche Hölle auf Erden, da sie weder an Musik, noch an Literatur oder anderen schönen Künsten irgendein
Interesse hegt. Viel lieber würde sie auf ihrem Pony durch die Weiten von Neuseeland reiten und auf der Farm helfen.

Während Lilian zunehmend Gefallen am englischen Lebensstil findet und sich zu einer normalen jungen Frau entwickelt, zieht Gloria sich in sich zurück und
versucht, ihr Dasein in England so bewegungslos wie möglich abzusitzen. Auch mehrere Tourneen, die sie mit ihren (ignoranten) Eltern unternehmen muss, helfen ihr nicht, ihr Heimweh nach Neuseeland zu vergessen.

Schließlich verschwindet sie aus einem Hotel in New York und macht sich alleine zurück auf den Weg nach Neuseeland.

Parallel dazu beschließt ihr Cousin Jack sich nach dem Tod seiner geliebten Ehefrau dem Militär zu verpflichten und erlebt den 1. Weltkrieg in all seiner Grausamkeit hautnah mit.

Ich möchte nun nicht so viele grausame Details von Glorias Rückreise und Jacks Kriegserlebnissen erzählen. Sicher ist es manchmal auch gut, dem Leser
schonungslos Wahrheiten zu präsentieren und nichts zu beschönigen. Und ich bin auch der Meinung, dass das durchaus alles so passiert sein könnte. Aber ganz ehrlich? Manches wollte ich einfach gar nicht so genau wissen. Was als nette Familiengeschichte daherkommt, entpuppt sich als richtig harter Tobak und es war mir nicht möglich, das Buch in kurzer Zeit komplett durchzulesen.

Trotzdem ist es stark gemacht! Die Charaktere sind sehr genau gezeichnet, sie verhalten sich niemals widersprüchlich, zeigen Unterschiede in ihrer Sprache und ihrer Art zu sprechen – handwerklich ist dieses Buch sicherlich grandios!

Aber eine einfache Familiensaga à la Tamara McKinley (wie ich dachte, dem australischen Pendent) ist es sicherlich nicht.

Es gibt übrigens noch zwei Bände, die vor dem „Ruf des Kiwis“ spielen, das Ganze ist dann als Trilogie in sich abgeschlossen. Ich hatte allerdings keine Probleme, alle Personen zuzuordnen und die Konstellationen zu überblicken, man kann die Teile also auch unabhängig voneinander lesen.