Rezension

Starkes Debüt

All die verdammt perfekten Tage
von Jennifer Niven

Bewertet mit 4 Sternen

Ist heute ein guter Tag zum Sterben?, fragt sich Finch, sechs Stockwerke über dem Abgrund auf einem Glockenturm, als er plötzlich bemerkt, dass er nicht allein ist. Neben ihm steht Violet, die offenbar über dasselbe nachdenkt wie er. Von da an beginnt für die beiden eine Reise, auf der sie wunderschöne wie traurige Dinge erleben und großartige sowie kleine Augenblicke – das Leben eben. So passiert es auch, dass Finch bei Violet er selbst sein kann – ein verwegener, witziger und lebenslustiger Typ, nicht der Freak, für den alle ihn halten. Und es ist Finch, der Violet dazu bringt, jeden einzelnen Moment zu genießen. Aber während Violet anfängt, das Leben wieder für sich zu entdecken, beginnt Finchs Welt allmählich zu schwinden…(Quelle: Amazon.de)

Dieses Buch wurde so mega gehypt, dass auch ich mir hierüber eine Meinung bilden wollte, auch wenn eine solche Thematik nur in kleinen Dosen über das Jahr verteilt vertrage, weil es mich in der Regel mit einem dicken Kloß im Hals zurück lässt.

Die Geschichte wird abwechselnd aus Violets und Finchs Sicht erzählt. Beide sind in ihrem Abschlussjahr der High-School. Violet zählt die Tage bis dahin herunter, was auch in ihren Kapiteln immer als Unter-Überschrift deutlich wird. Von Finch widerum erfahren wir die Anzahl seiner Tage, an denen er wach ist. Wach meint, damit nicht das Wach als Gegenteil von schlafend, sondern vielmehr, dass Finch sich im Hier und Jetzt befindet und vor allem am Leben ist.

Schon der Klappentext macht kein Geheimnis daraus, dass beide vorhaben/ vorhatten, sich das Leben zu nehmen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Violets Gründe werden schnell deutlich und sind auch auf gewisse Art und Weise nachvollziehbar, da sie aus einer Familientragödie entspringen. Finchs Gründe sind weitaus weniger nachvollziehbar für einen Menschen mit voller geistiger Gesundheit. Das hat es mir auch schwer gemacht ihn zu verstehen und mich in ihn hineinzuversetzen. Natürlich ist man auch im Alltag von Personen aus dem Familien- und Bekanntenkreis umgeben, die eventuell das ein oder andere psychische Problem haben. Doch selten lässt jemand einen so tief an seinen Gedanken teilhaben, wie Finch es hier tut. Auf der anderen Seite ist die große Stärke in diesem Buch, dass die Autorin diesen psychischen Zustand sehr authentisch vermitteln kann, auch wenn man nicht alles nachvollziehen kann.

Ich mochte Finch sehr gerne. Besonders seine unkonventionelle Art zu denken und zu leben. Manchmal war es kaum vorstellbar, dass ein so abenteuerlustiger, humorvoller Mensch lieber sterben möchte. Doch oft sieht es hinter so einer Fassade oft anders aus, wie auch in diesem Buch schnell klar wird. Auch Finchs Familienverhältnisse sind nicht die besten. Hier fehlt eindeutig die stärkende Basis. Die findet Finch fast nur in seiner älteren Schwester Kate. Bei Violet sieht das ganz anders aus. Trotz der erwähnten Tragödie hält die Familie zusammen und es ist sehr deutlich spürbar, dass Violets Eltern sie und auch einander lieben. Wo Violets Wunsch zu sterben eher einer Überreaktion glich und es auch zu keinem zweiten Mal kommt, ist deutlich spürbar, dass Finch von diesem Gedanken weiterhin angetrieben wird. Auch die gemeinsamen, vor allem außergewöhnlichen Trips durch Indiana und die Beziehung zu Violet, die sich im Verlauf des Romans mehr und mehr entwickelt, können an diesem Zustand nicht dauerhaft etwas ändern.

Das Buch hat definitiv eine Sogwirkung, der auch ich mich nicht entziehen konnte. Das liegt vor allem an dem intensiven, ehrlichen Schreibstil von Jennifer Niven, der mich 2 Tage lang in seinen Bann gezogen hat und an meiner Vorahnung auf die nahende Katastrophe (von der ich gehofft hatte sie trifft nicht ein). Die Idee der Geschichte nicht völlig neu und für mich ist der große Hype nur bedingt nachvollziehbar. Dennoch hatte ich paar wunderbare und vor allem intensive Lesestunden. Ein Stern Abzug, weil das Ende so furchtbar tragisch und traurig war und ich mir ein Happy End gewünscht hätte.