Rezension

Stephen Kings CARRIE ohne Fantasyelemente

Ich bin böse - Ali Land

Ich bin böse
von Ali Land

Mit 15 Jahren kommt Millie - früher hieß sie Annie - in eine Pflegefamilie. Ihre richtige Mutter sitzt im Gefängnis, weil Millie gegen sie ausgesagt hat. Mehrfacher Mord an Kindern lautet die Anklage. Ihr Pflegevater Mike, der als Psychiater arbeitet, soll ihr nicht nur helfen, ihr Trauma zu überwinden, sondern sie auch auf den bevorstehenden Prozess vorbereiten, in dem Millie gegen ihre Mutter aussagen muss. Doch während er sie mit allen Mitteln unterstützt, entwickelt seine leibliche Tochter Phoebe einen regelrechten Hass auf das neue Pflegekind in der Familie. Und während Phoebe Mille unbedingt loswerden will, würde Millie alles tun, um bleiben zu können.

"Ich will nicht, dass er durch meine geheimsten Gedanken und Sehnsüchte trampelt oder watet. Vermutlich wäre er entsetzt, wenn er wüsste, dass du mir fehlst, jetzt, in diesem Moment."
(Seite 43)

Die Stimmung in Ich bin böse ist von Anfang an sehr düster. Millie spürt, dass sie anders ist als andere Mädchen in ihrem Alter, dass sie anders denkt und anders empfindet. Sie hört die Stimme ihrer Mutter in ihren Gedanken, eine Stimme, die ihr befiehlt, Böses zu tun. Millie versucht, sich anzupassen, gut zu sein, nett. Sie will nicht sein, die ihre Mutter, die sie hassen will und doch insgeheim liebt. Trotz allem, was sie ihr und den anderen Kindern angetan hat.
 
Doch Phoebe macht ihr das Leben in der Schule zur Hölle und die ständigen Anfeindungen und Streiche wecken in Millie den Drang, sich zu wehren. Nach außen hin gibt sie das freundliche, stille, künstlerisch begabte Mädchen. Kein Erwachsener und kein Mitschüler soll sehen, was in ihr vorgeht. Doch der Leser kennt ihre Gedanken, und die machen einem Angst. Genau deshalb finde ich auch, dass der Originaltitel Good Me, Bad Me noch viel besser zur Geschichte passt als der deutsche.

In vielen Teilen erinnert mich Ich bin böse sehr an Stephen Kings Carrie. Ein Mädchen, still, schüchtern, das in seiner Kindheit furchtbar gelitten hat, das von seiner Mutter auf verschiedenste Arten missbraucht wurde. Ein Mädchen, das versucht, trotz allem in der Welt klarzukommen, Freunde zu finden, die Schule zu meistern. Normal zu sein. Ein Mädchen, dem so lange Steine in den Weg gelegt werden, bis es keine Lust mehr hat, seine böse Natur zu unterdrücken.

Anfang empfand ich Millies Art zu erzählen als sehr gewöhnungsbedürftig. Komische Syntax, teilweise sehr abgehackt. Dazu der ständige innere Dialog mit ihrer Mutter. Doch mit der Zeit war es genau diese Art zu erzählen, die Ich bin böse so spannend gemacht hat. Es ist ein eindringlicher Erzählstil, einer, der unter die Haut geht. Genauso wie die Geschichte selbst.

(c) Books and Biscuit