Rezension

Stille Stärke

Endspurt Vorklinik Paket, 14 Bde. -

Endspurt Vorklinik Paket, 14 Bde.
von

Stille Stärke

„Introversion ist ein kostbarer Schatz, den es zu bergen, zu hegen und zu pflegen gilt. Sie ist ein wertvolles Geschenk. Eine Stärke, die es zu würdigen gilt.“

Die Schweizer Autorin, Referentin und Theologin Debora Sommer legt in diesem Buch über Introversion mit gezielt christlicher Ausrichtung ganz besonderes Augenmerk darauf, was wir aus der Bibel lernen können. In ihren Ausführungen zieht sie hierfür auch immer wieder Bibelstellen zur Verdeutlichung heran, wobei zitierte Abschnitte kursiv dargestellt werden. Als introvertierte Persönlichkeit möchte die Autorin nicht nur für ihre eigene Person wagen, ganz sie selbst zu sein, sondern dazu auch andere introvertierte Menschen ermutigen. In ihren Kernanliegen äußert sie ihren Wunsch, Leser dazu zu animieren, einen kraftvollen Umgang mit ihrer Introvertiertheit zu finden, diese als Stärke und Geschenk zu erkennen, den Mut zu finden, die eigene Komfortzone zu verlassen und nicht zuletzt Extrovertierten einen Einblick in das Denken und Handeln ihrer introvertierten Mitmenschen zu ermöglichen.

Debora Sommers Ausführungen sind konkret und derart auf den Punkt gebracht, dass ich nicht umhinkann, einige Stellen zu zitieren. So definiert Debora Sommer beispielsweise introvertierte Menschen als „stille Beobachter, die sich vorstellen können, den Rest ihres Lebens in der Einsamkeit zu verbringen, umgeben von Büchern mit Blick auf unberührte Natur.“ Die Autorin beschreibt sie als „Menschen, die ansonsten keine Ablenkung brauchen, weil ihre innere Welt ohnehin bereits laut, bunt und intensiv ist.“ Debora Sommer spricht das Spannungsfeld mit dem großen Bedürfnis nach Rückzug einerseits, und dem Dienst unter Menschen andererseits an. Sie befasst sich mit den Grundlagen des Wesens der Introversion und äußerst sich in diesem Zusammenhang auch zur Hochsensibilität. Ein kleiner Test mit beispielhaft angeführten Verhaltensweisen introvertierter Christen kann dem Leser bereits vorab schon ein wenig Klarheit zur Beurteilung der eigenen Person verschaffen. Im vorliegenden Buch vergleicht die Autorin introvertierte Christen mit U-Booten und extrovertierte Christen mit Schiffen, die an der Wasseroberfläche fahren. Im Folgenden greift sie immer wieder auf diesen überaus passenden Vergleich zurück. Debora Sommer beschäftigt sich mit Selbstkritik, Überforderung und Ängsten, der Dunkelheit und Passivität. Zugleich drängt sie ihre Leser dazu, ihre eigenen inneren Stärken wahrzunehmen, wobei sie beispielsweise die besondere Tiefgründigkeit, Aufmerksamkeit und Vorstellungskraft introvertierter Menschen betont. Der am meisten beeindruckende Abschnitt dieses Buches bildet die Beschreibung des Alltags introvertierter Menschen, wo die Autorin auch ihre eigenen Erfahrungen hinsichtlich ihrer Kindheit, der Partnerwahl, freundschaftlichen Beziehungen und den Erfahrungen in der Berufswelt einfließen lässt. So werden sehr anschaulich viele Eigenschaften, das bewegte Innenleben und die Hintergründe vieler Handlungen thematisiert. Introvertierten Menschen als Eltern und dem Gemeindeleben wird jeweils ein eigener Abschnitt gewidmet.

Ich möchte allen an diesem Buch Interessierten ein von der Autorin verfasstes Gedicht ans Herz legen, das mich unglaublich tief berührte. Es vermag die gesamte Bandbreite von Gedanken und Emotionen auszudrücken, die introvertierte Menschen beschäftigen:

„Verborgenes Ich. Sie loben mich für mein heiteres Wesen, meine Intelligenz und Höflichkeit. Sie mögen mich wegen meines herzlichen Lachens, meiner Freundlichkeit und Heiterkeit. Sie danken mir für mein Verständnis, meine Ermutigung und Nachsicht. Sie nennen mich stark, zäh, tapfer und mutig und rühmen sich dafür, mich so gut zu kennen. Ich lächle nur, fühle mich einsamer als je zuvor, frage mich, ob sie mich wohl immer noch mögen würden, wenn nichts von mir bliebe, als mein verborgenes Ich? Wenn sie den Schmerz hinter meinen Worten, die Tränen hinter meinem Lächeln, die Ängste hinter meinen Tagen, die Zweifel hinter meinen Plänen, die Schwächen hinter meinen Stärken sehen würden? Wirst DU mich noch mögen, wenn nichts von mir bleibt, als mein verborgenes Ich? Mein einsames, ängstliches, verletzliches, weinendes, verborgenes Ich, überfordert vom Leben, verloren in der Komplexität.“

Fazit: „Die leisen Weltveränderer“ war eine Lektüre, die mir ausgezeichnet gefallen hat, mich begeisterte, faszinierte und tief beeindruckte. Es ist mir sehr schwergefallen, dieses Buch aus der Hand zu legen. Die persönlichen Erfahrungen der Autorin und damit verbunden der ausgeprägte Praxisbezug sowie der starke Bezug zum christlichen Glauben machten es zu einem wertvollen Nachschlagewerk, in welches man sich gerne mehr als nur einmal vertieft. Ich empfand „Die leisen Weltveränderer“ als ein Mut machendes und hoch informatives Werk zu einem Thema, dem in der heutigen Zeit viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Für mich persönlich war es auf jeden Fall ein absolutes „Lese-Highlight“!