Rezension

Stimmt sehr nachdenklich

Ich und die Menschen - Matt Haig

Ich und die Menschen
von Matt Haig

Bewertet mit 4.5 Sternen

"... Fortschritt ist ein Mythos; die Gegenwart ist alles, was sie haben." S. 311

Klappentext

In einer regnerischen Freitagnacht wird Andrew Martin, Professor für Mathematik in Cambridge, aufgegriffen, als er nackt eine Autobahn entlangwandert. Professor Martin ist nicht mehr er selbst. Ein Wesen mit überlegener Intelligenz und von einem weit entfernten Stern hat von ihm Besitz ergriffen. Dieser neue Andrew ist nicht begeistert von seiner neuen Existenz. Er hat eine denkbar negative Meinung von den Menschen. Jeder weiß schließlich, dass sie zu Egoismus, übermäßigem Ehrgeiz und Gewalttätigkeit neigen. Doch andererseits: Kann eine Lebensform, die Dinge wie Weißwein und Erdnussbutter erfunden hat, wirklich grundschlecht und böse sein? Und was sind das für seltsame Gefühle, die ihn überkommen, wenn er Debussy hört oder Isobel, der Frau des Professors, in die Augen blickt?

Meine Meinung

Ich hab schon lange kein Buch mehr gelesen, bei dem ich mir soviele Zitate herausgeschrieben habe. In dieser Geschichte stecken so viel grundsätzliche Wahrheiten, die aus der Sicht des namenlosen Protagonisten zwischen einer trocken humorvollen und traurig nachdenklichen Erzählweise verwoben sind.

Ich hatte keine Ahnung, wohin dieses Buch führen wird und es hat mich gleichzeitig überrascht und berührt. Obwohl die Mathematik und die Forschung in Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Menschen zu der Handlung geführt haben, bleibt dieses Thema eher im Hintergrund.
Es ist gewöhnungsbedürftig, uns Menschen aus Sicht eines Außerirdischen zu sehen, ihre Gewohnheiten, ihre Vorschriften, ihre scheinbare Ordnung, die wir alle so fest in uns verankert haben. Was macht den Menschen aus? Was ist der Sinn unseres Lebens? Warum ist der Schmerz und das Leid einem emotionslosen Leben vorzuziehen, in dem allein die Logik zählt? Könnten wir Liebe und Glück überhaupt wahrnehmen, wenn wir nicht auch die negativen Seiten kennen?
Ich glaube, dass sich über diese Fragen nachzudenken lohnt. Einmal über den Tellerrand schauen, ausbrechen aus dem Alltag, den gesellschaftlichen Normen, die wir verinnerlich haben, ohne groß darüber nachzudenken. Sich darauf zu besinnen, wer man wirklich ist.

Ein wichtiger Punkt, auf den die Geschichte zusteuert, war für mich der zu erkennen, dass ich nur dieses eine Leben habe und ich ganz allein dafür verantwortlich bin. Genau deshalb ist es so wichtig, sich bei Entscheidungen auf sich selbst zu verlassen, auf sein Herz und sein Bauchgefühl zu hören. Wie oft trifft man Entscheidungen, die man im nachhinein bereut - doch noch mehr wird man sie bereuen, wenn man sie nicht aus eigener Überzeugung getroffen hat, sondern weil man sich von anderen beeinflussen ließ.
Gegen Ende gibt es ein Kapitel mit dem Titel "Ratschläge für einen Menschen" - da sind einige dabei, die man genau lesen und sich zu Herzen nehmen sollte.

Man hat nur dieses eine Leben und man sollte alles dafür tun, um glücklich zu sein. Den Schmerz kann man umso leichter ertragen, wenn man weiß, dass es eine Konstante im Leben gibt - und das ist die Veränderung. Nach jedem Tief wird auch wieder ein Hoch kommen, wenn man nur daran glaubt.

© Aleshanee

Zitat

"Zivilisiertes Leben basiert auf einer großen Zahl von Illusionen, zu denen wir alle bereitwillig beitragen. Das Problem ist, nach einer Weile vergessen wir,  dass es Illusionen sind, und sind zutiefst schockiert, wenn um uns herum  die Wirklichkeit durchbricht." J. G. Ballard - Zitat S. 311