Rezension

Sweetbitter

Sweetbitter - Stephanie Danler

Sweetbitter
von Stephanie Danler

Bewertet mit 4 Sternen

Tess hat ihr Literaturstudium beendet und ist bereit für die große, weite Welt. In New York will sie die Kleinstadt-Langeweile hinter sich lassen und endlich anfangen richtig zu leben. Doch sie braucht Geld, also nimmt sie den ersten sich bietenden Job an: Kellnerin in einem Restaurant. Nein, Hilfskellnerin wird sie, denn sie weiß nichts von dem, was man wissen muss, um in einem hochklassischen Restaurant die Gäste angemessen bewirten zu können. Die erfahrene und immer etwas distanzierte Simone nimmt sie unter ihre Fittiche und weiht sie nach und nach in die Geheimnisse des Weins und der Genüsse hervorragenden Essens ein. Tess ist wie verzaubert von diesem Mikrokosmos, der in einer ganz eigenen Welt zu bestehen scheint, aber am meisten ist sie von Barmann Jake fasziniert.

 

Stephanie Danler verarbeitet in ihrem Debutroman eigene Erfahrungen als Kellnerin in New York. Dass sie über detailliertes Wissen bezogen auf Herkunft und Geschmack vor allem der Weine, aber auch Austern und Fleisch verfügt, merkt man dem Roman auf jeder Seite an. Er ist eine Hommage an den Genuss, der Essen nicht als funktionale Tätigkeit oder akribisch auf Nährwerte hin aufgeschlüsselte und bewertete Zweckgegenstände sieht, sondern die verschiedenen Geschmackserlebnisse bis in die hintersten Winkel des Mundes auskosten lässt, wenn man dafür Zeit sowie Muse und eine passende Haltung findet.

 

Die Handlung des Romans ist überschaubar. Tess‘ Ankunft in New York, die harten ersten Wochen im Job und das Partyleben nach Feierabend, sowie die langsam aufkeimende Beziehung zu Jake sind schon die wesentlichen Bestandteile. Die Figuren bleiben weitgehend stereotyp, die Angestellten bewegen am Rand der Handlung und streifen Tess sowie Simone und Jake nur kurz. Lediglich der Geschäftsführer Howard wird noch mit etwas mehr Profil versehen. Tess ist trotz abgeschlossenem Studium das typische Landei, das naiv in die Großstadt kommt und dort vom Leben regelrecht erschlagen wird. Auch am Ende des Romans, als etwa ein Jahr vergangen ist, hat sie sich für mein Empfinden kaum weiter- und vor allem nach wie vor keine Perspektive entwickelt. Ihre beiden Antagonisten, die eine seltsame Verbindung aufweisen, die in weiten Teilen jedoch im Dunkeln bleibt, sind deutlich spannender gezeichnet. Vor allem Simone weißt zahlreiche Brüche und Unstimmigkeiten auf, die sie aber weitaus interessanter und authentischer machen.

 

Besonders deutlich wurde im Roman die Funktionsweise des Restaurants als Bühne. Es gibt zwei Welten, die sichtbare im Gastraum und das Dahinter, das dem normalen Gast, der ein „geregeltes“ Leben im Einklang mit den Tageszeiten führt, verborgen bleibt. Dieser kleine voyeuristische Blick und die ausufernden Genussdarstellungen sind unterhaltsam und können locker über die dünne Handlung und etwas flache Protagonistin hinwegtäuschen.