Rezension

Sympathisch

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam - Vea Kaiser

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam
von Vea Kaiser

Bewertet mit 4.5 Sternen

Nun habe ich auch endlich mal einen "Regional"-Roman gelesen, wobei das österreichische Dörfchen St. Peter am Anger in den Sporzer Alpen und auch der Dialekt der Bewohner nur fiktiv sind.

Grundsätzlich ist der Roman auf Hochdeutsch (oder österreichische Hochsprache?!?) verfasst worden, aber die mündliche Rede der Bewohner in St. Peter ist grundsätzlich im Dialekt gehalten. Nach einer kleinen Eingewöhnung lässt sich dieser super verstehen, keine Angst!

Es wird also ein mehr oder weniger klischeehaftes Dorfleben beschrieben. Die Rahmenerzählung des Buches wird von dem Protagonisten Johannes A. Irrwein verfasst, der nachdem er durch die Maturaprüfung gefallen ist, versucht eine Dorfchronik zu verfassen. In der Binnenhandlung erfährt der Leser, was tatsächlich im Dorf passiert. Seit Jahren weigern sich die Dorfbewohner sich in die Zivilisation zu begeben und sich der Moderne anzuschließen. Man lebt unter sich, jeder kennt jeden. (Ein wenig erinnert es an die Gallier, dem Volke Asterix´und Obelix`). Geheiratet wird untereinander, man munkelt, dass man seine Cousins und Cousinen heiratet, die Enkelkinder die Namen von den Großeltern erhalten und die Berufe von Generation zu Generation weitergegeben werden. St. Peter ist ein sehr frommes, katholisches Dorf, in dem es nicht notwendig ist ein "Hochg´schissener" zu werden. Und selbst der erste Arzt des Dorfes, Johannes Großvater, hat seinen Doktortitel ohne Matura erhalten, denn der Besuch eines Gymnasiums ist nun wirklich nicht wünschenswert.

Johannes Gerlitzen, Opa, bekam einst von einem 14,8 METER langen Bandwurm eingeflüstert bekommen, dass er mit den alten Sitten des Dorfes brechen sollte und Wurmforscher bzw. Arzt werden sollte. Seine nach 10 Jahren Übung endlich schwanger gewordene Frau verlässt er bald nach der Geburt seiner einzigen Tochter, da diese schwarze Haare hat, die er nicht zuordnen kann. Er zieht in die Hauptstadt und kehrt einen Tages als Doktor der Medizin zu seiner Familie zurück. Seine Frau stirbt jedoch bald an Parkinson und so bleibt er mit seiner Tochter Ilse alleine. Diese verliebt sich ausgerechnet in den Dorfclown, nachdem dieser versucht mit einem Seifenkistenflieggerät zum Mond zu fliegen und dabei in ihren Vorgarten kracht. Herr Doktor Opa verschwindet wiederum, als deren Enkel Johannes A. Irrwein geboren wurde. Denn nicht er wurde zur Geburt hinzugerufen, sondern die Hebamme des Dorfes, die keine Ahnung hat. Eines Tages aber geht Ilse mit ihrem Sohn zum Doktor Opa und sofort schließen sich die Johannesses zusammen. Gemeinsam forschen sie, Opa an den Würmern, Enkel an seinem Kaninchen. Doch ausgerechnet beim Rettungsversuch seines Erzfeindes rutscht Doktor Opa den Nordhang während der Schlammzeit hinunter und stirbt.

Johannes A. Irrwein entwickelt sich zum Außenseiter, er hat und sucht keine Freunde, mag keinen Fußball und widmet sich stattdessen seiner Bildung, denn er will wie Opa ein Forscher oder Arzt werden. Sein großes Idol ist von nun an Herodot, der griechische Geschichtsschreiber, von dem ihm der Opa zuletzt vorgelesen hat. Ein Aushilfspfarrer setzt sich schließlich dafür ein, dass Johannes der erste St. Petrianer wird, der aufs Gymnasium gehen kann und Matura machen darf. Doch wie das Schicksal so spielt, läuft dann doch alles daneben, obwohl Johannes schon die Koffer für seinen Umzug in die Hauptstadt zu den Zivilsierten gepackt hat. Es bleibt kein Ausweg: Er springt aus dem Balkonfenster!!!!

Und plötzlich wird alles anders. Johannes begibt sich erstmals unter die Dorfleute und versucht sie zu erforschen. Er selbst lehnt die moderne Technik des 21. Jahrhunderts wie Handy, Internet und co ab, da er ja seinem geheimen Altphilologenkreis treu bleiben will. Jedoch stellt sich bald heraus, dass auch in St. Peter die Moderne eingetroffen ist. Dorfprinzessinnen werden mit 15 schwanger, Cafébesitzerinnen kiffen, irgendwie landet sogar ein Liebeslied-Video von Johannes auf YouTube und der FC St. Pauli reist durch die Hilfe des vermutlich klügsten St.Petrianers zum Freundschaftsspiel zur Einweihung der wahnwitzig teuren neuen Flutlichtanlage in das bald 500 Seelen-starke Dorf heran...