Rezension

Tagebuch einer Depressiven

Without Worlds - Kerstin Ruhkieck

Without Worlds
von Kerstin Ruhkieck

Bisher habe ich (fast) alle Bücher von Kerstin Ruhkieck geliebt. Ich finde, dass sie genial schreiben kann, und mag es, dass sie sich vorwiegend den düsteren Seiten des Lebens widmet. Es ist nichts rosarot, geschönt oder einfach – auch nicht ihre Protagonisten. Außerdem klang der Klappentext genial und genau nach meinem Geschmack. Ich nahm den Reader also erwartungsvoll in die Hand und fing an, zu lesen …

„Without Worlds“ blieb aber leider, leider hinter meinen Erwartungen zurück. :( Dabei klang alles soooooo vielversprechend: das Hochhaus, die Monster, die Spalten im Boden, die ungewöhnliche Geschwisterliebe (immer her mit den schwierigen Themen!), die Kalorienpillen, die Opferkämpfer, die Aufgabe der „roten Engel“ … Echt gute Ideen und eigentlich genau meins. Eigentlich. Doch das Potenzial wurde leider nicht ausgeschöpft. I am frustriert!

Aber erst mal das Positive: Zu Anfang konnte ich mich gut in die Protagonistin Clara hineinfühlen. Ich hatte Mitleid mit ihr, weil sie wirklich schlimme Dinge erlebt hat, die kein Mensch ganz ohne Spuren verkraftet. Ihre distanzierte und eigenbrötlerische Art, ihre Hoffnungslosigkeit und totale Einsamkeit sind nur allzu gut zu verstehen und wurden von der Autorin passend rübergebracht.

Der Schreibstil war wie gewohnt flüssig und es gab einige Zitate zum Markieren. Ich habe aber auch gemerkt, dass er mich nicht so umgehauen hat wie sonst. In ihren anderen Büchern gab es den gewissen „Wow-Faktor“, die Sätze waren auf den Punkt und perfekt ausgearbeitet. Doch hier plätscherte alles eher vor sich hin.

Auch mag ich es lieber, wenn die Dinge lediglich zwischen den Zeilen angedeutet oder nur einmal genannt werden. Hier gab es aber viele inhaltliche Wiederholungen: Claras schweres Schicksal, ihr Job als „roter Engel“, ihre seltsame „Liebe“ für Kian, ihre Malerei, ihre Unfähigkeit, aus dem Bett aufzustehen … Es wird einfach immer wieder auf den selben Fakten rumgeritten und das war einfach too much.

Kommen wir zum größten Kritikpunkt und dem Grund, warum mich die Story nicht so berühren konnte wie erwartet: Clara, unsere ungewöhnliche Protagonistin. Ungewöhnlich, aber leider auch sehr schwierig und als Erzählerin wahnsinnig anstrengend. Es gibt keine fesselnden Gedankengänge von ihr, stattdessen badet sie ausgiebig in Selbstmitleid, stößt andere Menschen von sich, ist komplett unsozial und schlicht ein langweiliger Charakter. Meine anfängliche Empathie wendete sich, als ich am Ende nur noch gedacht habe: „Geschieht dir absolut recht!“ Bis kurz vor Schluss tut sie nie aktiv irgendetwas, um die Geschichte voranzubringen. Deshalb schleppt sich die Story von Kapitel zu Kapitel dahin. Auf eine Wendung, die dem Ganzen eine neue Richtung gibt, wartete ich leider vergebens.

Auf die Lovestory hatte ich mich schon gefreut, denn ich bin ein Fan von ungewöhnlichen und kontroversen Liebesgeschichten. Mit Liebe hatte das hier aber nicht viel zu tun. Ich habe wirklich versucht, offen zu sein, aber wenn man ehrlich ist, ist alles, was Clara tut: Stalken (was sie sogar selbst zugibt). Kian und sie haben nicht viel gemeinsam und reden bis zur Hälfte des Buches nicht einmal miteinander.

Kian fand ich irgendwie interessant, doch leider lernt man ihn dank Claras eingeschränkter Perspektive kaum kennen. Aus seiner Sicht zu lesen, was er draußen so getrieben hat in seinem Kampf ums Überleben, wäre sicher spannender gewesen als Claras eintöniger Alltag. Aber dann wäre nun mal eine ganz andere Geschichte daraus geworden …

Und ich finde es an sich gut, dass „Without Worlds“ eine etwas andere Dystopie werden sollte. Kein Aufstand, kein Umschwung des Systems, sondern die knallharte Realität mitsamt aller menschlichen Abgründe. Das Feeling kam teilweise auch rüber und ich habe verstanden, was die Autorin damit über die wahre Natur des Menschen aussagen wollte. Das hätte mich auch faszinieren können, nur ist es leider an der Umsetzung gescheitert. Weil schlichtweg die Story fehlte.

Ich dachte die ganze Zeit: „Komm schon, komm schon, komm schon!“ und wartete auf DIE Wendung, DEN Knall, DIE Überraschung, einfach IRGENDETWAS, das der Story eine neue Richtung gibt, aber es kam einfach nichts … :( Es gibt wenig Handlung und die Geschichte wirkte nicht komplett durchdacht. Es werden Millionen Dinge angesprochen und angedeutet, die dann einfach unter den Tisch fallen, viele Charaktere eingeführt, die überhaupt keine weitere Funktion haben. Das war so frustrierend! *seufz*

Aber das Ende hat mich dann vollends enttäuscht und ich habe ungläubig die letzte Seite „umgeklickt“. Es fühlte sich nicht an, als wäre man vorangekommen, sondern als hätte man einen Schritt zurück gemacht. Die Geschichte hört einfach mittendrin auf und endet quasi an einem Punkt, an dem sie erst richtig hätte losgehen können. So war es leider nur ein ereignisloser Lebensabschnitt einer anstrengenden Protagonistin und es bleibt nichts zurück, das mich weiter beschäftigt hätte …

Fazit: Es waren tolle Ansätze und wirklich gute Ideen vorhanden, aber leider versandete alles im Kopf der depressiven Protagonistin. Dabei hatte ich bis zu einem gewissen Grad noch Mitleid und Verständnis für sie, aber sie suhlt sich einfach zu ausgiebig in ihrer Opferrolle. Das war nur noch anstrengend und krampfig zu lesen. Eine weitere Sichtweise wäre hilfreich gewesen, um einen Einblick in die Strukturen der Gesellschaft und „hinter die Kulissen“ zu bekommen.

Auch die Story hat mich nicht mitgerissen, denn es gab keinen richtigen Spannungsbogen und stattdessen nur lose Fäden und ein unbefriedigendes Ende. Alles in allem wird mir „Without Worlds“ wohl nur als „Tagebuch einer Depressiven“ im Gedächtnis bleiben …