Rezension

Tangled up in Blue

Die Geschichte von Blue - Solomonica de Winter

Die Geschichte von Blue
von Solomonica de Winter

The only thing I knew how to do
Was to keep on keepin’ on like a bird that flew
Tangled up in blue (Bob Dylan)

Als ich das Buch von Solomonica de Winter in die Hand nahm, hatte ich diese Liedzeile aus Bob Dylans Klassiker im Ohr. Im Nachhinein hätte nichts Treffenderes gesagt werden können, um dieses Buch zu beschreiben. Ein Vogel gefangen im Blue(s), der versucht weiterzumachen, ist auch die außergewöhnliche Protagonistin dieses Buches.
 Die Geschichte wird erzählt aus der Perspektive der dreizehnjährigen Blue, die in den Therapiesitzungen ihrem Therapeuten ihre Lebensgeschichte offenbart. Es wird nicht ganz klar, ob der Leser ihren Gedanken lauscht oder ob sie ihre Geschichte aufschreibt, denn Blue spricht nicht. Seit dem Tod ihres Vaters, der bei einem missglückten Banküberfall starb, ist da nur noch Schweigen. Sie zieht sich in sich selbst und in ihr Schweigen zurück, flieht zumeist in die fantastische Welt ihres Lieblingsbuchs “Der Zauberer von OZ”. Nun befindet sie sich in einer geschlossenen Anstalt und soll erzählen, warum sie den Mann und die Frau erschossen hat.
Allein die Ausgangssituation ist so spannend und ungewöhnlich: Eine Dreizehnjährige Doppelmörderin, stumm und in ihrem Kopf eine Art Dorothy, die es in ihr eigenes OZ verschlagen hat. Doch Blue weiß natürlich, dass sie nicht wirklich Dorothy ist und dass ihr ihre Fantasiewelt als Flucht dient. Schließlich sieht sie täglich bei ihrer Mutter, was Realitätsflucht ist: Ihre gelegenheitsjobbende Mutter ist seit dem Tod des Vaters ebenfalls aus der Bahn geraten und kämpft mit ihrer Drogensucht. Auch sie Tangled Up in Blue, findet keinen Ausweg aus ihrer Sucht.
Zwar starb ihr Vater bei dem Banküberfall, doch ist für Blue der fiese Gangsterboss, dem er das Geld schuldete, der eigentliche Schuldige. Somit beginnt sie ihm obsessiv zu verfolgen und von seinem Tod zu träumen. Zeitgleich entwickelt sich eine zarte Freundschaft mit einem jungen Kioskverkäufer, der der erste zu sein scheint, der sich wirklich für sie interessiert.

Die Autorin, selbst erst 16 beim Schreiben dieser intensiven wie beeindruckenden Geschichte, schafft es von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln. Man lässt sich vorbehaltlos mit den ersten Sätzen in die ungewöhnliche wie einsame Welt von Blue ziehen. Ich bin zutiefst beeindruckt von diesem Debüt, denn die Eindringlichkeit und Schönheit der Sprache in Kombination mit einer komplexen wie überraschenden Handlung machen dieses Werk zu etwas ganz Besonderem.

Fazit: Ein beeindruckendes wie ungewöhnliches Debüt über ein junges Mädchen, die zwischen Wirklichkeit und Wahn schwankt und dabei immer mehr ihren Obsessionen verfällt. Dabei nutzt die Autorin eine intensive wie klare Sprache, die für ein Talent spricht, von dem wir noch Großes erwarten können. Geheimtipp!