Rezension

Tanzende Flamme im Liebesrausch

Die spanische Tänzerin - Alli Sinclair

Die spanische Tänzerin
von Alli Sinclair

Bewertet mit 2.5 Sternen

Spaniens Geschichte ist einzigartig. Die maurischen Einflüsse sind in Andalusien allgegenwärtig. Die Alhambra in Granada ein Prachtbau, der einem unvergessen bleiben wird, sobald man einen Fuß hinein gesetzt hat. Zeugnisse einer Geschichte in der Kriege, Vertreibung und religiöse Verfolgung über Jahrhunderte eine schaurige, wechselseitige Rolle gespielt haben. Die Zeit des Bürgerkrieges und der Franco-Diktatur im 20. Jahrhundert muss Spaniens Gesellschaft tief erschüttert haben. In meiner Schulbildung hat die Ära Francos keine Rolle gespielt. In meinem Geschichtsbild war lange nicht verankert, dass Spanien sich zwar weitestgehend aus dem 2. Weltkrieg heraushalten konnte und bis 1976 allerdings eine Militärdiktatur war. Zum ersten Mal ist mir dies durch den Film „Pans Labyrinth“ bewusst geworden. Erst kürzlich las ich von Arturo Pérez-Reverte „Der Preis, den man zahlt“ und war beeindruckt von dem lebendigen Geschichtsbild, das Pérez-Reverte in seinem Spionagethriller aufmacht. Der Roman spielt in den Dreißiger Jahren. Mit der „Spanischen Tänzerin“ dachte ich, daran direkt anknüpfen zu können. Katarina, die Flamencotänzerin aus gutem Haus hat den Bürgerkrieg überlebt, ihren Vater aber bei dem Angriff auf Guernica verloren und der Familie den Rücken gekehrt. Generalissimo Franco hat Einfluss auf alle Bereiche des spanischen Lebens, selbst auf den Flamenco. Ein eigentlich freier, stolzer, wilder Tanz, der sich nun ganz den Vorstellungen des Diktators unterzuordnen hat. Katarina kann ihn nur „gebremst“ tanzen, aber immerhin darf sie überhaupt noch tanzen. Der Roman von Alli Sinclair spielt auf zwei Zeitebenen, eine in der Jetztzeit und eine damals im Jahre 1944. Katarinas Enkelin Charlotte hat den Auftrag von ihrer Großmutter bekommen, in deren alte Heimat nach Granada zu reisen und herauszufinden, was es mit dem Gemälde auf sich hat, dass Katarina damals von ihrem Vater bekam und dessen Geschichte er ihr nicht mehr erzählen konnte. Katarina ist über Neunzig und fühlt in der Wahlheimat Australien ihr Lebensende nahen. Sie sprach mit ihrem Sohn und ihren Enkeln nie über ihre Zeit in Spanien. Charlotte selbst spricht fast gar kein spanisch und fühlt sich auf dem alten Kontinent nun sehr verloren. Doch ihr wird ein junger Flamenco-Musiker an die Seite gestellt, mit dem sie das Rätsel um ihre Großmutter lösen und sogar ihr eigenes Glück finden wird.

Ja, mit dieser Kurzfassung des Inhaltes wird schnell deutlich, dass sich der Roman von Alli Sinclair thematisch auf einem ganz anderen Terrain bewegt als der Thriller von Pérez-Reverte. Es ist sicherlich unfair beide Bücher direkt miteinander zu vergleichen, aber ihr verbindendes Element, nämlich die Franco-Diktatur, zwingt mich förmlich dazu. In der Darstellung dieser Zeit driften beide Romane nämlich weit auseinander. Alli Sinclair gelingt es leider nicht, über die Liebesgeschichten beider Zeiten hinauszugehen. Sie nutzt die Historie allein als Kulisse, recherchiert nicht umfassend und ist nicht in der Lage dem Leser eine Ahnung von der Atmosphäre in Spanien um 1944 zu vermitteln. Jegliches historisches Gefühl geht verloren bzw. will sich nicht einstellen, wenn man eine Verfolgungsjagd liest, die auf dem Papier 1944 stattfinden soll, aber so klingt, als wären wir im Hier und Jetzt. Fast erwarte ich, dass die Hauptperson ein Smartphone aus der Tasche zaubert, um den Fluchtweg auszukundschaften. Ihre erzählerische Stärke ist das Romantische. Allerdings für mich auch nicht vollkommen überzeugend. Ich scheine ein kritischer Leser zu sein. Insgesamt ist mir die Geschichte in beiden Zeiten zu vorhersehbar und die Figuren zu allgemein gehalten. Dabei gibt es wirklich spannende Anklänge in diesem Buch. Allein die Verbindungen zum Gitano-Clan böten soviel mehr erzählerisches und atmosphärisches Potenzial. Die ganze Geschichte um den Flamenco ist super spannend und wurde nur oberflächlich ausgeschöpft. Alles lief am Ende immer auf das Romantische der Geschichte hinaus. Besonders unglaubhaft bis störend fand ich allerdings das Kontinentehopping von Charlotte. Fliegt sie mal eben zur Großmutter zurück von Spanien nach Australien, lässt sich nach einem Aufenthalt von zwei Stunden wieder zurück nach Granada schicken. Als wäre alles ein Katzensprung und man mal nicht eben 24 Stunden Oneway unterwegs, zumal Granada keinen Internationalen Flughafen hat und Verbindungen nur über Madrid oder Barcelona nach Australien rausgehen. Schade, ich konnte dem australischen Flamencoliebeszauber nicht erliegen. Aber Granada und die Alhambra sollte ich demnächst mal wieder besuchen, auch wenn es selbst von Berlin keinen Direktflug gibt.