Rezension

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The Immortalists

The Immortalists - Chloe Benjamin

The Immortalists
von Chloe Benjamin

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wie lebst du, wenn du weisst, wann du sterben wirst?

Ok, das Buch hat mich eine Weile beschäftigt. Einmal aus einem ganz pragmatischen Grund: eine profane Lungenentzündung hat mein Lesetempo dramatisch reduziert. Lange Pausen, schlechte Konzentration … es hat etwas gehakt bei den „Immortalists“. Und das ist echt schade, denn das Buch ist grandios – ich habe mich ertappt, dass ich noch Tage später drüber nachgedacht habe.

Vier Geschwister, die in Kindertagen eine angebliche Wahrsagerin aufsuchen. Sie teilt jedem Einzelnen das Tag seines Todes mit. Und das Ableben soll laut ihr ganz unterschiedlich getimt sein. Während die eine Schwester ein fast biblisches Alter erreichen soll soll grade der Jüngste nur knapp dem Teenageralter entkommen. Etwas durch den Wind und mit fixen Daten versehen treten die Kinder ihrer Zukunft entgegen.

Und anstatt die angeblichen Todesdaten als Scharlatanerie abzutun bleiben sie im Gedächtnis der Kinder, wie ein Schatten über der jeweiligen Existenz.

Wie lebst du, wenn du weisst, wann du sterben wirst?

Diese Frage ist zentraler Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Die Leben der vier Geschwister werden einzeln behandelt und in der Tat ist etwas dran an den Vorhersagen. Ohne zu viel von der Handlung vorher nehmen zu wollen: Die Daten bewahrheiten sich. Zumindest die ersten drei Geschwister sterben wie vorhergesagt früh oder sogar sehr früh.

Aber, und das ist der große Knackpunkt: Haben sie, mit dem Damoklesschwert des bekannten Todeszeitpunktes über ihnen schwebend, auf einen frühen oder früheren Tod gar selber hingearbeitet? Haben sie unbewusst ausschweifender gelebt, sind sie mehr Risiken eingegangen, haben sie mehr Leben in eine kürzere Zeit gepackt? Oder ist es ganz simpel Zufall, der mitgespielt hat bei den tatsächlichen Daten?

Eine Frage, die sich aus dem Buch heraus nicht beantworten lässt, die dementsprechend dafür sorgt – zumindest bei mir  – dass die „Immortalists“ und ihre Botschaft hängen bleiben. Ein Buch, über das ich immer wieder nachdenke, auch jetzt, drei Wochen nachdem ich es gelesen habe.

Eine Antwort habe ich immer noch nicht, aber eins ist klar: Wir wissen nicht, wann wir sterben, wir haben keine Wahrsagerin, die für uns in die Kugel guckt. Bei uns kann es heute oder in 50 Jahren soweit sein. Was machen wir aus der Zeit?