Rezension

Theatralisches Experiment

Hexensaat - Margaret Atwood

Hexensaat
von Margaret Atwood

Bewertet mit 4 Sternen

Theaterregisseur Felix ist ein Star der Szene und für seine Avantgarde-Haltung bekannt. Doch bevor er seinen beruflichen Höhepunkt erreicht, wird er von seinen engsten Mitarbeitern hintergegangen. Er zieht sich - gedemütigt - aus dem Showbusiness zurück. Jahre später geht er wieder die Inszenierung von Theaterstücken - in einem Gefängnis - an und ahnt nicht, dass dies die Gelegenheit für seine Rache werden wird.

In „Hexensaat“ verneigt sie sich die Autorin vor einem ganz Großen ihrer Zunft. Sie adaptiert William Shakespeares „Der Sturm“ und geht dabei ihren ganz eigenen Weg dieser schillernden Geschichte an. Tragende Thematik ist die Rache in all ihren Facetten. Rache, wie sie unterschwellig lodert, zum Durchhalten anregt, Pläne schmieden und Unvorstellbares zuwege bringen lässt. 

Gleichzeitig behandelt sie Inszenierung und Illusion. Es geht um Geschichten, die bewegen, und die Künstler, die sie in Bewegung bringen. Sie beschreibt Gefängnisse, aus denen es scheinbar keinen Ausweg gibt, die man aber durch die Kraft von Kunst überwindet, weil uns diese nichts und niemand nehmen kann.

Ich bin mir sicher, dass dieses Werk von Margaret Atwood weitaus hingebungsvoller, literarisch vielschichtiger interpretiert werden kann, und beschränke mich nun auf meinen laienhaften Leseeindruck, der zwar nicht dem Werk aber hoffentlich dem Roman gerecht werden kann.

Wer Margaret Atwood kennt, weiß, dass man sich gemeinsam mit der großen kanadischen Erzählerin weitab vom üblichen Schema bewegt. Diesmal hat sie mir eine verrückte Geschichte von einem rachsüchtigem Theaterregisseur erzählt.

Felix ist ein schräger Kauz. Er ist ein Künstler par excellence. Zurückhaltend, aufbrausend, bedacht und zugleich absolut durchgeknallt. Die Intrige seiner Mitarbeiter macht ihm schwer zu schaffen. Außerdem knabbert er an einer privaten Tragödie und sehnt sich nur mehr danach, Shakespeares „Der Sturm“ im Theater in Szene zu setzen. Trotzdem zieht er sich erstmal aus dem öffentlichen Leben zurück, weil er weiß, dass in der Ruhe die Kraft für seine Inszenierung und Rache liegt.

All das führt ihn zu einem theatralischen Experiment, das er mit Gefängnisinsassen vollbringt. Und dieses Experiment gehen Felix und Margaret Atwood gleich auf mehreren Ebenen an.

Margaret Atwood hat Shakespeares „Der Sturm“ auf unterschiedlichen Wegen auf ihr Werk übertragen. Zuerst ist die Handlung selbst an dieses Werk angelehnt, dann spielt es als Theaterstück an sich eine Rolle darin und außerdem hat sie die wichtigsten Themen von Shakespeares Leben selbst übernommen, womit sie sich vor dem wohl größten Theatermacher verneigt und ihm ihren Respekt entgegenbringt.

Der Schreibstil ist einfach und trotzdem facettenreich. Man kann es einfach runterlesen oder dabei innehalten. Man kann sich Atwoods Roman erzählen lassen oder die literarischen Hintergründe erforschen. Oder man kann es einfach genießen, mal eine völlig andere Geschichte in den Händen zu halten.

Mir hat Atwoods Interpretation und Übertragung Shakespeares in unsere moderne Zeit sehr gut gefallen. Zeitweise war es mir etwas zu abgedreht, was wahrscheinlich an der Originalvorlage liegt. Den modernen Schliff bekommt „Der Sturm“ durch den Schauplatz unserer Gegenwart, der sogar Lyrik in Rap umschlagen lässt. Ich mag daran, dass es - obwohl es auf einer alten Geschichte basiert - etwas völlig anderes ist und Margaret Atwood erneut beweist, dass sie zu den ganz Großen zählt.

Man muss sich nicht unbedingt für Shakespeare interessieren um dieses Werk zu mögen, jedoch sollte man für Literatur und Neues offen sein, damit man diesen Roman richtig genießen kann.