Rezension

Thema verfehlt, trotzdem gute Unterhaltung

Die Pestärztin - Ricarda Jordan

Die Pestärztin
von Ricarda Jordan

Bewertet mit 3 Sternen

Ich habe seit neustem einen Ausweis für die örtliche Bücherei. Ich lese für mein Leben gern - aber ab und zu höre ich auch gerne ein Hörbuch, denn ich habe nicht immer Zeit, um mich mit einem Buch hinzusetzen. Und so läuft bei mir ab und zu gerne mal ein Hörbuch, während ich meine Hausarbeit erledige. Diesmal habe ich mich für "Die Pestärztin" von Ricarda Jordan entschieden, denn ich kenne die Sprecherin Dana Geissler als gute Sprecherin und ich lese/höre gerne historische Romane, wenn auch diese typischen Frauenbücher nicht immer meinen Geschmack treffen.

 

Lucia kommt unter denkbar schlechten Umständen zur Welt. Eine jüdische Hebamme findet ihre gebärende Mutter in einem Stall, wo zwei Dirnen hilflos daneben stehen, und bringt Lucia zur Welt. Für ihre Mutter kann die Hebamme leider nichts mehr tun, sie verblutet. Das einzige, was sie noch sagen kann, ist, dass Lucia kein Hurenkind ist und sie selbst Beatrix heißt.

Die Hebamme muss in der Nacht noch zu einer anderen Gebärenden und nimmt Lucia einfach mit. Mit geschickten Formulierungen schafft sie es, für Lucia bei der jüdischen Familie ein neues Zuhause zu finden. Offiziell ist sie zwar das Mündel der christlichen Küchenhilfe, aber Lucia wächst fast wie eine Schwester für Leah, der Tochter des Hauses von Speyer, heran. Die muslimische Sklavin Al Shifa nimmt dabei die Stelle ihrer Mutter ein und unterrichtet sich auch in der arabischen Sprache. Als Lehrbuch dient ihr dafür ein medizinischer Kanon, den Al Shifa aus Arabien mitgebracht hat.

Die Jahre gehen ins Land. Lucia ist zu einer schönen jungen Frau herangewachsen. Und da beginnen die Probleme. David von Speyer begehrt sie. Lucia fühlt sich geehrt. Eines Abends ist David betrunken und zerrt Lucia in ein einsames Zimmer, wo er sie küsst. Dabei wird er von seinem Vater überrascht. Wie zur damaligen Zeit üblich, muss Lucia das Haus verlassen, weil sie ihn angeblich verführt habe. Und eine Verbindung zwischen einer Christin und einem Juden missfällt allen.

Lucia wird zunächst bei einem Schneider in Stellung gegeben. Doch als sie sich weiterhin mit David trifft und dabei erwischt wird, ist sie als Judenhure gebranntmarkt und verliert ihre Stellung. Erst kommt sie als Schankmädchen in einer Wirtschaft unter, findet aber schnell eine Stellung als Magd in einem Haus, wo angeblich der Teufel haust. Immerhin ist die letzte Magd sehr plötzlich gestorben und hat dabei Blut gehustet. Lucia glaubt, dass es die Schwindsucht gewesen sei, und fürchtet sich nicht.

Kurz darauf bricht die Pest in Mainz aus. Lucia erinnert sich an vieles, was sie in dem medizinischen Kanon gelesen hat und kann eine Ansteckung vermeiden, indem sie sich mit Alkohol abreibt. Aber viele um sie herum sterben, weil sie an ihren traditionellen Gepflogenheiten festhalten und sich auf diese Weise anstecken und die Krankheit weiter verbreiten. Lucia trifft gerade auf den Arzt Clemens von Treist, als ihre Herrschaften gestorben sind. Er ist beeindruckt, dass eine christliche Frau so viele medizinische Kenntnisse hat, und betreibt mit ihr in dem verwaisten Haus ein Krankenhaus für Pestkranke. Sie sind recht erfolgreich, was viele Christen misstrauisch macht. Sie halten es für Hexerei.

Es kommt, wie es kommen muss: Clemens steckt sich mit der Pest an, er und Lucia werden in den Wirren der Epidemie getrennt, der wahnsinnig gewordene Pöbel will Lucia aus der Stadt vertreiben, aber sie kommt dem zuvor. Als ihre tote Ziehschwester Leah von Speyer versucht sie in Landshut ein neues Leben zu beginnen.

 

Bis zu Lucias Flucht aus Landshut finde ich das Buch spannend und sehr gelungen. Es hat mich gut unterhalten und der Inhalt des Buches hatte mit dem Titelthema zu tun. Nach der Flucht allerdings (ca. nach einem knappen Drittel der Geschichte) arbeitet Lucia nicht mehr als Ärztin, hat überhaupt nichts mehr mit Medizin zu tun. Sie schlägt sich nur mehr recht als schlecht durch, gibt sich erst als Jüdin aus, dann als christliche Magd und entdeckt dann ihre tatsächliche Abstammung: eine Christin aus dem Hochadel. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, sich vor Verheiratung zu schützen und anderen unglücklichen Frauen zu ihrem Glück zu verhelfen, indem sie auch deren arrangierte Hochzeiten sabotiert und den Frauen zur Flucht verhilft. Erst ganz am Schluss kommt dann noch einmal ein nebensächlicher medizinischer Fall ins Spiel.

Dies war nicht der von mir erhoffte Inhalt des Buches. Ich fühle mich durch den Titel und den Klappentext fast betrogen, denn sie gaukeln mir etwas Falsches vor. Lucia ist nie eine Pestärztin, sondern wird von den Leuten höchstens mal so genannt. Eigentlich ist sie eher eine medizinisch ein wenig geschulte Krankenschwester, die nicht selbst heilt, sondern Clemens bei seinen Behandlungen unterstützt. Der Hauptteil des Buches geht jedoch wirklich um die Rolle der Frau und dass sie ständig Gefahr läuft, von ihren ach so lieben Verwandten verheiratet zu werden an einen uralten und unangenehmen Mann. Dieses Schicksal blüht ihr erst als angebliche Jüdin Leah und kurz darauf auch als Dame aus dem Hochadel.

Dieses hört sich nicht nur langweilig an, sondern ist es auch weite Strecken über gewesen. Ich kam irgendwann durcheinander, welche Frau nun gerade an welchen Mann verheiratet werden sollte, obwohl sie eigentlich einen ganz anderen Mann liebte. Die Tochter von Lucia spielt eine sehr untergeordnete Rolle und wird in der Geschichte des Öfteren scheinbar einfach vergessen.

Trotzdem ist der Schreib- und Erzählstil von Ricarda Jordan toll. Ihre Figuren werden lebendig, bekommen eine Persönlichkeit. In dem Hörbuch wird das durch die Sprecherin Dana Geissler noch deutlicher, weil auch sie mit ihrer Intonation jedem eine eigene Stimme und Sprachstil gibt, was ich sehr angenehm finde und was mir das Zuhören erleichterte. Und auch wenn mir der Inhalt des Buches nicht ganz so zusagt, so habe ich mich doch gut unterhalten gefühlt. Es ist zwar keine große Literatur, aber das muss es auch nicht sein, um unterhalten zu können.

 

Fazit
Thema verfehlt, langweiliger Handlungsstrang, trotzdem gute Unterhaltung und eine fantastische Sprecherin