Rezension

Thriller der Extraklasse

Endgültig
von Andreas Pflüger

Bewertet mit 4 Sternen

Dem detaillierten und anspruchsvollen Schreibstil mit tiefen und scharfsinnigen Dialogen ist zu wünschen, dass er seine Liebhaber findet.

Als im Gefängnis eine Psychologin ermordet wird, soll die blinde Vernehmungsspezialistin Jenny Aaron den mutmaßlichen Täter befragen. Dabei wird sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Sie muss erfahren, dass einer der intelligentesten und kaltblütigsten Verbrecher an ihr Rache nehmen will. Ein Kampf beginnt, der ihr alles abverlangt. 

 

Andreas Pflüger hat in seinem Thriller eine Menge ungewöhnlicher Informationen eingearbeitet. Das ist interessant und gleichzeitig anstrengend. Auch das Ringen mit sich selbst, all dem Glauben zu schenken oder nicht, ist es. Wenn dann scheinbar logische Schlussfolgerungen alles Wissen ad absurdum führen, wird es je nach Lesernaturell lustig oder ärgerlich. (Pavlik geht nachts stets so, dass er den Mond im Rücken hat. Da fragt man sich natürlich, wie kommt er denn dann wieder nach Hause?) 

Ebenfalls zu bemängeln ist die Superheldenmentalität. Man wartet förmlich auf Chuck Norris´ Auftritt. Das ist teilweise überzogen genug, um es an die Grenze des Lächerlichen zu bringen. Obgleich oder gerade weil sich die Personen allesamt dramatisch ernst nehmen.

Und richtig lästig wird mit Sicherheit dem ein oder anderen, insbesondere demjenigen, der mit Kippen nichts am Hut hat, die dreitausendste Erwähnung der ach-so-notwendigen Nikotininhalation. Auch das selbstredend im Superlativ dargestellt. (Der Mann hatte schon vor Jahren das Rauchen eingestellt, aber er würde sich gleich eine Packung kaufen. Der wird irgendwann übertrumpft von demjenigen, der noch nie geraucht hat, aber jetzt zur Zigarette greift.)

 

So, genug gemeckert.

Dieser Thriller hat durchaus auch Positives zu bieten. Aaron und Pavlik sind außerordentliche Protagonisten, denen viel Raum zugestanden wird, damit sie sich entwickeln können. Den sie auch zu nutzen imstande sind, so dass sie nachhaltig und unverwechselbar vor Lesers geistigem Auge bestehen. Der Spannungsbogen ist immens. Zwar entspinnt sich die Geschichte langsam, bruchstückhaft und mit vielen Rückblenden versehen, doch steigert sich das Tempo kontinuierlich bis zum atemberaubenden Finale. Dem detaillierten und anspruchsvollen Schreibstil mit tiefen und scharfsinnigen Dialogen ist zu wünschen, dass er seine Liebhaber findet. Sätze wie: "Sie will sich an Nikos Gesicht erinnern. Schafft es nicht. Er fasst sie am Arm. Ist plötzlich wieder da." (S.26) zeigen, wie Pflüger Inhalte zwischen den Zeilen zu transportieren vermag.

Ein besonderes Lob gebührt der Umschlaggestaltung. Die eingearbeitete Brailleschrift deutet die Existenz einer anderen Wahrnehmung an. Während sich die Schrift dem Auge verwischt und verfremdet darstellt, sind die Punkte klar und unbeeinträchtigt.

Wer Thriller der Sonderklasse liebt, sollte sich hier unbedingt zugreifen und sich eine eigene Meinung bilden.