Rezension

Tiefgründige Geschichte über eine junge Frau

Die verborgene Sprache der Blumen - Vanessa Diffenbaugh

Die verborgene Sprache der Blumen
von Vanessa Diffenbaugh

Vom Klappentext des Buches her hatte ich eine ganz andere Geschichte hinter dem Buchdeckel erwartet, als ich letztendlich gelesen habe, und war sehr positiv überrascht von der Tiefe und Vielschichtigkeit der Geschichte.

Dieses Buch ist ein wenig wie ein verstoßenes Kind: verletzt, scheu, traurig und ein wenig düster, aber im Innersten stets voll unerschütterlicher Hoffnung. Genauso wie die Protagonistin Victoria, die ihr Leben lang sehr leiden musste. Zu Beginn des Buches war sie mir richtig unsympathisch, da sie alle Menschen auf Abstand hält - oft auch mit nicht gerade freundlichen Methoden. Sie ist eine absolute Einzelgängerin, Kratzbürste und Misanthropin, die die ganze Welt zu verachten scheint. Nach und nach erfährt man jedoch, weshalb sie so geworden ist, und lernt, Mitleid mit ihr zu empfinden. Als Pflegekind hat sie nie elterliche Liebe gekannt und wurde 18 Jahre lang nur hin- und hergereicht. Im Verlauf des Buches wächst sie jedoch immer mehr über ihr altes Ich hinaus und lernt wichtige Lektionen fürs Leben: Vertrauen, Vergeben, Lieben und das Gefühl, Teil einer Familie zu sein. Je länger man liest, desto mehr kann man sich in sie hineinversetzen und desto mehr öffnet auch sie sich der Außenwelt.

 

Die Schilderungen von Victorias Kindheit haben mich sehr bewegt. Pflege- und Heimkinder haben es definitiv nicht leicht, und das Buch geht stellenweise sehr kritisch damit um, wie herzlos mit solchen Kindern (in Amerika) umgegangen wird. An manchen Stellen war ich richtig schockiert von den Schilderungen. Kein Wunder, dass Victoria anfangs so verstört und verletzlich ist!

 

Die Blumen, deren Sprache sie seit ihrer Kindheit beherrscht, sind anfangs ihre einzigen Freunde und auch bevorzugtes Kommunikationsmittel. Leider versteht nie jemand, was sie damit sagen möchte. Dann lernt sie per Zufall Grant kennen, einen Blumengroßhändler, der als einziger ihre Botschaften hinter den Blumen versteht, und findet Gefallen an ihm. Aufgrund von Victorias Vergangenheit ist es allerdings ein langer und steiniger Weg für die beiden, denn 10 Jahre zuvor sind sie sich schon einmal begegnet, und diese Begegnung hat Victorias Leben grundlegend verändert.

 

Doch erwartet jetzt bitte keine reine Liebesgeschichte. Dieses Buch bietet so viel mehr. Hauptsächlich geht es hier um die Liebe und Beziehung zwischen Müttern und Töchtern. Denn Victoria hatte tatsächlich eine Zeit lang so etwas wie eine Familie - nämlich ihre Pflegemutter Elizabeth - bis zu dem Tag, an dem sie eine große Schuld auf sich geladen hat. Erst, wenn sie ihr Geheimnis den Lesern offenbart versteht man ihr Handeln, ihre Ängste, Sehnsüchte und Schuldgefühle komplett. Und erst dann ist sie auch bereit, sich selbst zu vergeben und nach vorn zu schauen.

Ein toller Bonus war das Glossar der Blumensprache am Ende des Buches, dass zum Blättern und Staunen einlädt. Zusätzlich zu den Bedeutungen, die man im Verlauf der Geschichte lernt, werden hier noch weit über Hundert weitere Pflanzen und ihre oftmals unbekannten Bedeutungen übersichtlich aufgelistet. Da kann jeder noch etwas dazulernen ;)

Die verborgene Sprache der Blumen war ein einzigartiges Leseerlebnis: tiefgründig, nachdenklich, zärtlich, melancholisch und wunderbar realistisch. Die Charaktere waren vielschichtig und haben sich im Verlaufe des Buches gut weiterentwickelt. Berührend schildert die Autorin, wie man auch ohne Worte tausend Dinge sagen kann, und wie wichtig es ist, jemandem mehr als eine Chance zur Versöhnung zu geben.