Rezension

Tiefsinnig und wahnsinnig berührend

Für immer ist die längste Zeit - Abby Fabiaschi

Für immer ist die längste Zeit
von Abby Fabiaschi

Die Geschichte beginnt mit Madeleine. Sie erzählt uns, dass sie nicht mehr am Leben ist. Aus einer erhöhten Position spricht sie den Leser direkt an. Noch nicht im Himmel angekommen, dennoch weit entfernt von der Erde und ihren Lieben hat sie es sich als Aufgabe gemacht, ihre Familie gut aufgehoben zu wissen. Sie möchte, dass sich Brady erneut verliebt, damit er nicht alleine bleibt und das Eve selbstständiger wird. Selbst die Kombination aus beiden Familienmitgliedern ist von Selbstständigkeit weit entfernt. Maddy hat sich immer gut um sie gekümmert, was sie dem Leser auch noch einmal erzählt. Nie mussten sich die Zwei um etwas kümmern, was nicht auch sie als Mutter erledigen konnte. Dennoch spricht die Protagonistin niemals davon, dass sie irgendeine ihrer Taten bereut, oder dass sie sich gar aufgeopfert hat. Sie machte es immer gern. Jedes Kapitel behandelt eine andere der drei Figuren. Grundsätzlich folgen wir erst Maddy, dann Eve und zuletzt Brady. Jeder spricht anders mit dem Leser, jeder empfindet etwas anderes in vielleicht ein und derselben Situation. Jedoch alle sprechen sie in der Ich-Form.
Besonders beeindruckt bin ich von der Art, wie Abby Fabiaschi es geschafft hat, jeden auf seine Art erzählen zu lassen. Man merkt ganz genau, ob die manchmal eher naive Eve gerade schildert, wie es ihr ergangen ist, oder ob Brady gerade seinen Gedanken nachhängt. Die Autorin hat ihre Schreibweise an die unterschiedlichen Figuren angepasst. Es ist ihr gelungen, jeden der Figuren echt erscheinen zu lassen. Ihre Gefühle waren allesamt nachvollziehbar und haben mich grundsätzlich mit voller Wucht erreicht.

„Unser Leben ist ein Geschenk und die Konsequenz ist der Tod. Ich glaube, es wäre ein Fehler, sich auf die Konsequenz zu konzentrieren statt auf das Geschenk.“
Zitat aus: "Für immer ist die längste Zeit"

Besonders Eve leidet so offen und ehrlich, ist aber so sehr in sich gekehrt, das ich des Öfteren mal eine Pause vom Lesen einlegen musste, weil sie mich tatsächlich stellenweise an mich und meine Trauer erinnerte, als meine Mutter verstorben ist. Es war berührend zu lesen, wie sehr sie Maddy vermisst. Ihre Schuldgefühle kann ich absolut nachempfinden. Jeder denkt sich doch, das man in bestimmten Situationen doch besser anderes reagiert hätte. Doch wenn es zu spät ist, kann dies einen zerbrechen.
Schön zu lesen ist außerdem, wie sich die Beziehung von Vater und Tochter mit der Zeit verändert, weil sich die Charaktere an sich auch wandeln. Eve wird erwachsen und Brady reflektiert mehr. Sie finden sich und sie finden zueinander. Das hat mir außerordentlich gut gefallen.
Neben den beiden Hauptfiguren gibt es noch einige Nebenfiguren, die ab und zu die Bühne betreten. Aber nie nehmen diese zu viel Platz ein und stoßen Brady und Eve von der Bühne. Besonders Rory habe ich sehr doll in mein Herz geschlossen, hat diese doch auch einen enormen Schicksalsschlag hinter sich, mit dem man erstmal klar kommen muss.
Das gesamte Buch lässt sich sehr gut lesen. Man lässt sich mitreißen durch die Höhen und Tiefen. Verdrückt hier und da mal eine Träne. Die Geschichte ist sehr leise, baut sich langsam auf, entwickelt allerdings schon auf der ersten Seite einen solchen Sog, dass man sie am liebsten gleich am Stück verschlingen würde. Hinzu kommen so viele schöne Zitate, die ich mir allesamt aufschreiben musste und Erkenntnisse, über die ich nachdenken musste.

Fazit:
„Für immer ist die längste Zeit“ ist ein unfassbar berührend und tiefsinniger Roman voller Liebe, Leid und Hoffnung. Er lässt sich sehr gut lesen und hat einige Überraschungen parat. Die Figuren sind allesamt liebeswert und echt. Wie Abby Fabiaschi mit dem Thema Trauer umgegangen ist, imponiert mir sehr. Ich ziehe meinen Hut, das sie so ein grandioses Erstlingswerk erschaffen hat!

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