Rezension

Tillys Erben

Fastenopfer - Anton Leiss-Huber

Fastenopfer
von Anton Leiss-Huber

Bewertet mit 4 Sternen

In der Nacht zum Aschermittwoch haucht der Benefiziumsverwalter Rainer Schutt-Novotny in seinem Büro unter einem imposanten Gemälde des Feldherrn Tilly sein Leben aus. Es handelt sich nicht um einen natürlichen Tod, was die beiden Mühldorfer Kripobeamten Max Kramer und Fritz Fäustl auf den Plan ruft...

Hier bin ich mal wieder reingefallen: bei "Fastenopfer" handelt es sich um den zweiten Teil einer Reihe, was auf den ersten Blick leider nicht ersichtlich war. Erst als ich schon ein ganzes Stück gelesen hatte, wurde mir klar: Hier muss es einen Vorgängerband geben. Er heißt "Gnadenort" und ist schon vor etwa zwei Jahren beim Ullstein Verlag erschienen. Eigentlich ist "Fastenopfer" ein neuer, in sich abgeschlossener Fall, den man auch völlig problemlos ohne die Vorkenntnisse aus dem ersten Band lesen kann. Zumindest kann man das, wenn man nicht wie ich diese Macke hat, dass man eine Reihe ganz oder gar nicht lesen mag. So ist auch der Vorgängerband bei mir eingezogen und wurde natürlich zuerst gelesen - immer diese Folgekosten ;-)

Die Handlung spielt hauptsächlich im idyllischen Wallfahrtsort Altötting, und man merkt auch deutlich, dass Anton Leiss-Huber über seine Heimat schreibt, wo er sich wie in seiner Westentasche auskennt. Mir gefiel besonders gut, dass der Mordfall eindeutig im Vordergrund steht, und nicht zugunsten eines komödienstadelähnlichen Spektakels im Vorbeigehen gelöst wird. Obwohl ich eigentlich sehr gerne Regionalkrimis lese, gibt es da doch gerade bei den bayrischen Vertretern einige, die man im Grunde kaum noch als Krimi bezeichnen kann. Die Eberhofer-Reihe von Rita Falk würde mir hier zum Beispiel einfallen, die ich nach dem vierten Band nicht mehr weiterverfolgt habe, weil ich das ewige Susi-Franz-Hin-und-Her nicht mehr ertragen konnte, und auch nicht mochte, dass man als Leser immer mehr den Eindruck bekommt, alle Bayern wären irgendwo zwischen vertrottelt und grenzdebil zu verorten.

Trotzdem kommt der regionale Touch nicht zu kurz, viele Figuren sprechen bayrischen Dialekt, was natürlich in den Dialogen zum Tragen kommt. Der Autor hat einen guten Mittelweg getroffen, als Bayerin finde ich mich dialektmäßig wieder, aber auch als "Preusse" hat man bestimmt keine Verständnisprobleme.
Das eingangs im Buch erwähnte Tilly-Benefizium ist übrigens nicht der Phantasie des Autors entsprungen, das gibt es tatsächlich. Obwohl der berühmte Feldherr aus dem dreißigjährigen Krieg nicht nur in der Altöttinger Gegend ein Begriff ist, war es mir neu, dass tatsächlich bis 2009 täglich eine Messe für ihn gelesen wurde. Auch dass die Abschaffung der "auf ewig" ausgelegten Vereinbarung für einigen Wirbel sorgte, ist ein skurriles, aber nettes Detail - wieder was dazugelernt.

Auch die Figurenzeichnung ist sehr gut gelungen, man findet genau die richtige Portion Schrulligkeit, so dass die Personen weder farblos noch überzeichnet wirken - besonders gern mochte ich das Team Schosi-Hirlinger, die überengagierte Pfarrersköchin, die immer auf die schlanke Linie ihres Monsignore achtet - und das ohne Rücksicht auf Leib und Leben des Herrn Hirlinger.

"Fastenopfer" ist ein solider Krimi, der mich bestens unterhalten hat und auch bis zum Schluss im Dunkeln tappen ließ, was die Auflösung angeht. Den Vorgänger "Gnadenort" kann ich übrigens ebenfalls wärmstens empfehlen: Auch wenn keine Vorkenntnisse benötigt werden, wirken doch ein paar (für die Krimihandlung aber nebensächliche) Handlungsdetails schlüssiger und machen die Geschichte noch einen Tick runder.