Rezension

tolle Idee und wunderbarer Schreibstil

Vollkommen - Patricia Rabs

Vollkommen
von Patricia Rabs

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ein Versprechen, das man unmöglich geben kann, wenn man nicht einmal erahnt, das Menschen einem antun können.
Das waren keine normalen Wunden, die verheilen mussten und vielleicht gehörten sie zu jener Art, die unheilbar blieben. Für diese Wunden gab es kein Gegenmittel und vielleicht waren sie die schlimmste Art einer Verletzung, weil man damit weiterleben musste.

Tess

 

Charaktere:
Teresa Evans, genannt Tess, ist 17 Jahre alt und hat rote Haare, die ihr bis zur Hüfte reichen. Tess würde alles für ihre Familie tun, weshalb sie sehr niedergeschlagen ist, weil sich ihr Blut nicht für die Spende eignet und ihre Familie deshalb wieder etliche Jahre mit wenig Geld auskommen muss.
Charlotte ist Tess‘ 14-jährige Schwester. Auch wenn der Leser sie aufgrund von bestimmten Vorkommnissen nicht intensiv kennenlernen kann, so denke ich trotzdem, dass man sie als kleinen fröhlichen Wirbelwind bezeichnen kann.
Lukas Callahan lebt mit seiner Familie am Rand. Da sie dort kaum Privilegien haben und deshalb nicht zur Schule dürfen, wird er von Tess unterrichtet. Vor allem jetzt, da er Spender ist und bald in die Mitte ziehen kann, ist es besonders wichtig, dass er sich deren Lebensgewohnheiten anpasst. Jedoch fühlt er sich zu Tess hingezogen…
Beatrice ist ebenfalls 17 Jahre alt und lebt am Rand, wo sie mit ihrer Schwester zusammen von Tess unterrichtet wird. Manchmal empfand ich sie als ganz schön nervig, weil sie sich hauptsächlich auf sich selbst konzentriert und ihre Ansichten durchsetzen möchte.
 Weiterhin spielen noch der unnahbare 23-jährige Daniele, der 18-jährige Carter und viele andere nette oder weniger freundliche Charaktere eine Rolle.

 

Meine Meinung:
Tess‘ Geschichte wird aus ihrer Sicht mittels der Ich-Perspektive geschildert. Somit lernt man das sympathische Mädchen sehr genau kennen. Ihre Gedanken und Gefühle werden sehr nachvollziehbar geschildert.
 Anfangs wird die Situation im Süden dargestellt. Es gibt die Mitte, in der die Privilegierten leben, die ihr Blut spenden und dafür reichlich vergütet werden. Dort lebt auch Tess mit ihrer Mutter und ihrer kleinen Schwester. Am Rand leben die Menschen, die seit Generationen nicht zur Spende zugelassen werden in Armut, wodurch sie sich im Winter nicht einmal das Heizen leisten können. Das Blut, das hier im Süden gespendet wird, wird hinter den Zaun (in den Norden) gebracht – dorthin, wo es den Menschen noch schlechter geht und mit Hilfe des Blutes ein Gegenmittel für eine schreckliche Krankheit genutzt werden kann. Dass Tess, die nicht spenden kann, und Lukas, dessen Blut als wertvoll eingestuft wird, sich näher kommen, ist zunächst ihre größte Sorge. Doch mit dem Voranschreiten der Seitenzahl erscheinen immer mehr unüberwindbare Probleme. Die Idee, die hinter dem System steckt, ist wirklich faszinierend, abstoßend und brillant zugleich. Das Ende des Buches ist ein kleiner Hoffnungsschimmer für den weiteren Verlauf der Geschichte.
Patricia Rabs Schreibstil ist einfach klasse! So war ich z. B. von den Gebäuden des Pharmagons und des Labors mächtig beeindruckt, weil sich die Gebäude vor meinem geistigen Auge eindrucksvoll in den Himmel hoben. Die würde ich gerne mal live sehen ;D
In jeder Dystopie gibt es so Momente, in denen die Protagonisten in einem Zimmer sitzen und die nächsten Schritte überdenken, da sie sich in unmittelbarer Gefahr begeben werden und diese möglichst gering halten wollen. Oftmals lässt hier die Spannung etwas nach und man freut sich wieder auf die nächsten Actionszenen. Dies war hier jedoch nicht der Fall. Wie ich schon in den „a place in time“-Büchern festgestellt und bewundert habe, stellt Patricia Rabs auch hier die Situation spannend dar. Egal mit wem die Protagonistin redet oder wohin sie geht, es wird etwas passieren – etwas erschreckendes!
Ebenfalls positiv an Patricia Rabs‘ Schreibstil ist die Ausarbeitung und Darstellung der Charaktere. Tess ist zunächst eine gewöhnliche 17-Jährige, die enttäuscht ist, dass sie nicht für die Blutspende geeignet ist.  Sie weiß, dass nicht sie daran schuld ist, dennoch macht sie sich Sorgen um die finanzielle Zukunft ihrer Familie. Sie fügt sich trotzdem in das System ein und stellt es kaum (das Unterrichten der Randbewohner ist eine legale Grauzone) in Frage. Als Schlag auf Schlag bestimmte Dinge geschehen und Tess so einige Geheimnisse erfährt, versucht sie dies anzunehmen und sich selbst treu zu bleiben. Vor allem später werden ihre Gefühle und Gedanken wunderbar dargestellt. Tess‘ Zwiespalt zwischen zwei Wahlmöglichkeiten und ihre Überforderung mit der Situation wird so sehr genau beschrieben und somit für den Leser greifbar. Zunächst war Tess ein braves zurückhaltendes Mädchen, doch im Laufe des Buches kommt ihr starker Charakter zum Vorschein. Sie versucht sich aus dieser Situation herauszukämpfen und dabei sich selbst und andere nicht zu schaden. Einige andere Charaktere denken, dass sie immer wieder Fehler macht, aber in manchen Situationen gibt es einfach keinen richtigen und einzigen Weg. Tess hat nur die Wahl, wer sie schamlos für die eigenen Ziele ausnutzen „darf“.

Fazit:
„Vollkommen“ ist eine spannende Dystopie mit einem erschreckenden Weltaufbau, die sich nicht hinter den großen Werken diesen Genres verstecken muss. Patricia Rabs‘ Schreibstil ist richtig toll und lässt unter anderem Charaktere entstehen, die in die Tiefe gehen.