Rezension

Toller Einstieg in neue fünfbändige Fantasyreihe

Der Mond des Vergessens - Brian Lee Durfee

Der Mond des Vergessens
von Brian Lee Durfee

Bewertet mit 4 Sternen

Toller Einstieg in die neue fünfbändige Fantasyreihe um die fünf Kriegerengel und den Waisen Nail. Für alle Fantasy-Fans ein Muss.

Der Waise Nail wächst bei seinem Meister Shawcroft in Galgenhafen auf Gul Kana auf, einer der fünf Inseln. Seine Eltern kennt er nicht. Mit seinem Meister arbeitet er in den Minen, außerdem wird er im Schwertkampf unterrichtet. Zwar hat er Freunde, dennoch wird er aufgrund seiner ungewissen Herkunft als Bastard angesehen und ist ein Außenseiter. Er würde gerne Krakenfänger werden, doch sein Meister verwehrt ihm die Ausbildung. Da trifft eine Flotte der Sør Sevier in Galgenhafen ein, die Krieger überrennen die kleine Stadt und töten die meisten Einwohner. Den Rest versklaven sie, auch Nail und einige andere Jugendliche. Nail verliert Shawcroft aus den Augen, wird aber von ihm gerettet und verhilft seinerseits vier Mitgefangenen zur Flucht. Allerdings werden sie verfolgt und Shawcroft kann die Häscher nicht lange aufhalten. Auch wird Shawcrofts Verhalten für Nail immer rätselhafter, mitten im tiefsten Winter sollen sie Gegenstände finden und sich dann zu einer Abteil in den Bergen durchschlagen. Mit letzter Kraft schaffen sie dies und treffen dort auf Bischof Godwyn, einen guten Freund Shawcrofts. Viel Zeit zum Ausruhen bleibt ihnen allerdings nicht, denn als nun Ritter aus Amadon auftauchen, dem Königssitz von Gul Kana, überreden diese sie mit ihnen zu einem Treffpunkt zu reisen. In der Stadt Ravenker jedoch, die sie auf dem Weg durchqueren müssen, treffen sie erneut auf die Krieger der Sør Sevier und werden voneinander getrennt. Diesmal steht Nail allein seinen Widersachern gegenüber...

Außergewöhnliche und spannungsgeladene Geschichte, die in einer fantastischen Welt spielt, die der Autor detailreich und liebevoll ersinnt und in der es nicht an Helden und Antihelden, Jungfrauen und Prinzessinnen, Monstern, Kriegern und Rittern, verschiedenen Völkern und mystischen Fabelwesen mangelt. Jedes Volk hat seine eigene Geschichte und Kultur, es gibt verschiedene heraus stechende äußerliche Merkmale, verschiedene Glaubensrichtungen und Riten, Gesellschaftsformen und Traditionen, und bis hin zu den Jahreszeiten wird alles bis ins kleinste Details beschrieben. Das Gesellschaftssystem dieser Welt mutet mittelalterlich-feudal an, es gibt den Hochadel und den Klerus, Krieger und Ritter sind ebenfalls hochangesehen sowie Kaufleute, Handwerker und Bauern. Frauen spielen generell eher eine untergeordnete Rolle. Die Religion hingegen nimmt einen sehr hohen Stellenwert bei allen ein, Bischöfe und Vikare sind mächtig, Gottesdienste und die Anbetung der jeweiligen Gottheit stehen über allem. Jedes Volk hat aus der einen Ur-Religion sein eigenes Glaubensbekenntnis herausgezogen und duldet keine anderen Glauben daneben. Die Namen erinnern an die englische und gälische Sprache, auch hier zieht der Autor seine dem jeweiligen Volk zugewiesenen Eigenschaften konsequent durch.

Die Geschichte setzt ein nach Kriegen zwischen Menschen und den anderen Völkern der Inseln und etwa tausend Jahre nach der Geburt des als Gottheit angebeteten Laijon. Aus ihm, seiner Frau Mia und seinem Sohn Raijael entstehen die drei großen Glaubensrichtungen der fünf Inseln, wobei diese – wie gesagt – bei den anderen Völkern jeweils nicht anerkannt und als Ketzertum verteufelt werden. Der Autor versteht es ungemein geschickt die teilweise komplizierte Geschichte der Völker anschaulich darzulegen und seine Figuren nicht nur schwarz-weiß, sondern vielschichtig zu zeichnen und damit authentisch und menschlich zu machen. Sein Schreibstil ist bei weitem nicht simpel, aber sehr bildhaft, detailliert und flüssig, es liest sich einfach hervorragend. Durch die sehr geschickten Perspektivwechsel ist der Leser allwissend, die Protagonisten aber nicht, was die Spannung erhöht, dennoch wird das Geschehen chronologisch wiedergegeben. Alles in allem nimmt das Ganze nur etwa zwei Monate Zeit in Anspruch, ist aber so kompakt und geballt und voll von Informationen, dass es einem viel länger vorkommt. Ohne den Anhang, i.e. die Karte der fünf Inseln, die Erläuterungen zu Jahreszeiten, Schriften und Waffen, wäre ich – muss ich gestehen – oftmals aufgeschmissen gewesen. Es lebe das Lesezeichen! Anfangs sind es sehr viele ungewohnte Namen und Figuren, das muss man sich schon ein bisschen durchbeißen. Doch nach einiger Zeit hat man alle drauf und kennt deren Eigenschaften und die Umgebung, in der sie leben.

Mit den Charakteren hatte ich mitunter so meine Probleme, besonders mit den weiblichen. Mit keinem von diesen wurde ich wirklich warm, ich fand sie entweder furchtbar naiv, dumm, profileurotisch, zu weiblich oder zu wenig weiblich oder schlichtweg nervig. Leider konnte ich hier mit keiner so richtig mit leben, hatte daher auch keinen näheren Bezug zu einer von ihnen und war daher relativ unbeeindruckt von ihrem Schicksal. Bei den männlichen Charakteren hatte ich das Problem, dass alle, an deren Schicksal ich am meisten teil hatte, irgendwann starben, so dass ich mir eine neue Projektionsfläche suchen musste. Am Meisten habe ich mit Nail mitgefiebert, weswegen ich auch die Inhaltsangabe auf ihn ausgerichtet habe. Dies heißt aber nicht, dass nicht auch die anderen Figuren interessant sind, und ich bin sehr gespannt, wie sich z.B. Tala, die Prinzessin von Gul Kana, oder auch andere entwickeln. Außerdem fand ich das Volk der Vallé und die Bluthölzler sehr spannend, und ich hoffe von ihnen in den Folgebänden mehr zu erfahren. Denn in jeden steckt Potential, nichts ist wie es scheint, und man muss höllisch aufpassen, dass man sich nicht auf irgendeine Person, einen Sachverhalt oder eine Lösung zu sehr verbeißt – es kommt doch alles anders als man denkt.

Sehr gut fand ich, dass jedem neuen Kapitel nicht nur ein Text aus dem jeweiligen Glaubensbekenntnis vorangestellt war, sondern auch eine Orts- und Zeitangabe und natürlich der Name des Protagonisten, aus dessen Sicht jeweils erzählt wurde. Hier führt nach Anzahl übrigens Nail, dicht gefolgt von Tala. Ob das nicht doch etwas zu bedeuten hat? Der Autor verzichtet interessanterweise weitgehend auf die seitenweise Beschreibung großer Schlachtengetümmel, die meines Erachtens oftmals Lückenfüller sind, nicht aber auf Zweikämpfe und die üblichen Brutalitäten wie Vergewaltigung, Verstümmelung, etc. Dies passt aber immer ins Geschehen und charakterisiert den jeweiligen Urheber. Spannend in dem Zusammenhang sind auch einige Geschehnisse vor dieser Geschichte, die (noch) nicht näher ausgeführt werden, den Leser aber zusätzlich zu den anderen textlichen Qualitäten dazu bringen am Ball zu bleiben.

Fazit: Tolles Debüt und starker Einstieg in die fünfbändige Reihe, für alle Fantasy-Fans ein klares Muss und absolute Leseempfehlung. Dass der Autor ein Fantasyfan ist und selbst hervorragend Welten erschaffen kann, hat er hiermit klar bewiesen, das Buch ist ein Pageturner und fesselt von Beginn an. Mir war zeitweise zu viel von Religion die Rede und ich störte mich auch häufig an einigen Verhaltensweisen besonders der weiblichen Charaktere. Super fand ich, dass keine Figur einseitig böse oder gut ist, auch bei den vermeintlichen Feinden, den Sør Sevier, gibt es Menschen, denen man das Überleben wünscht. Der Autor zeichnet seine Charaktere vielschichtig und damit menschlich und mit hohem Wiedererkennungswert. Wenn man sich erst einmal in die Welt und ihre Menschen eingelesen hat, kann man das Buch kaum noch aus der Hand legen. Das abrupte Ende und die vielen offenen Geschehnisse und Geheimnisse schreien nun natürlich nach Band 2, den wir mit Spannung erwarten!