Rezension

Toller Krimi

Eine ganz andere Geschichte - Håkan Nesser

Eine ganz andere Geschichte
von Håkan Nesser

Bewertet mit 5 Sternen

Ein toter Jogger und ein brutaler Mörder, der Barbarotti anonyme Briefe schreibt. Die Bretagne im Sommer: Ein paar schwedische Touristen verbringen im Finistère ein paar vergnügte Urlaubswochen. Es ist eine zusammengewürfelte Gesellschaft: zwei Paare und zwei Einzelkämpfer, alles in allem sechs Leute, die freizeitbedingt miteinander Freundschaft schließen. Sie baden, sie essen, sie machen Ausflüge und flirten ein wenig über die Ehegrenzen hinweg. Und als die Ferien vorbei sind, trennen sich ihre Wege, wie das ja oft der Fall ist. Übrig bleiben ein paar vereinzelte Fotos, womöglich ein Gruppenbild, das ein oder andere Aquarell – und ein anonymes Tagebuch, das ihre Eskapaden schildert, wie sich später herausstellen wird, als die Tragödie bereits ihren Lauf genommen hat. Denn fünf Jahre später beginnt jemand, sie zu töten, einen nach dem anderen, wobei die Morde Gunnar Barbarotti, Inspektor in Kymlinge, jeweils zuvor brieflich angekündigt werden. Der Fall erregt große Aufmerksamkeit in den Medien, die Polizei steht naturgemäß unter Druck. Der Mörder indes spielt Katz und Maus mit den Ermittlern – und erscheint unbegreiflicher und unberechenbarer als je zuvor. Was ist damals in der Bretagne wirklich passiert? Und warum bekommt ausgerechnet Inspektor Barbarotti die Briefe? Im zweiten Buch um Gunnar Barbarotti, „Eine ganz andere Geschichte“, begegnen wir erneut dem geläuterten Zweifler und Gott herausfordernden Mann, den wir bereits im Kriminalroman „Mensch ohne Hund“ kennengelernt haben. Seine Berufskarriere erscheint ihm immer dubioser, während sein Privatleben plötzlich völlig neue Perspektiven aufweist.

Ich war sehr begeistert, als ich das Buch zuschlug. Endlich mal eine überraschende Geschichte, ohne Heldenklischees. Die schwedische Provinzpolizei, die dort im Mittelpunkt steht, wirft nicht gerade das beste Licht auf ihresgleichen. Es gibt kein Superhirn-Ermittler, der alles rausfindet, ebenso gibt es keine Ultra-FBI-Hightech-Ausrüstung und Profiler, immerhin passieren solche Dinge dort nicht alle Tage. So kommen die Ermittler ein bißchen trottelig und ratlos rüber, im Gegensatz zu Kay Scarpetta und David Hunter o.ä. Auch die obligatorische Schießerei am Ende fehlt, also wer so was braucht... Demgegenüber überzeugt der Mörder umsomehr. Er ist intelligent, strukturiert und man weiß kaum was über ihn. Ich will auch nicht zuviel verraten. Vielleicht hätte man die Lösung finden können, mir ist es nicht gelungen. Am Ende bleiben ein paar Fragen offen, aber man hat den Eindruck, dass die Lösungen im Buch enthalten sind und man ist versucht, das ganze nochmal zu lesen, was mir sonst nie passiert. Klar ist die Lösung konstruiert, ist ja auch ne erfundene Geschichte, aber unrealistisch finde ich sie ganz und gar nicht.

Ein typischer Nesser. Diesmal läßt er seinen sympathischen Kommissar Barbarotti in seinem zweiten Fall wieder einen verzwckten Fall aufklären. Dabei hat Nesser aber wiederum vor allem eines im Sinn: Ein Porträt der Gesellschaft und des Miteinanders zu zeichnen.

Der Fall selbst ist mysteriös und wirklich auch spannend. Man fragt sich die ganze Zeit, Wie kann das sein? Wie hängt das alles miteinander zusammen?

Kleiner Tipp: Sie können darauf kommen! Legen Sie das Buch immer wieder mal aus den Händen und überlegen Sie einmal, wie Sie mit den vor Ihnen liegenden Informationen umgehen würden. Erfahrene Krimi-Leser sollten eine ganz gute Chance haben, den Mörder zu finden. (Nicht das der Eindruck entsteht, mir wäre das gelungen. Mich hat die Auflösung auch überrascht. Habe mir nur nachher gesagt. Natürlich! Etwas weniger hintereinander weg lesen. Etwas mehr selber ein bisschen rätseln. Und man hat eine ganz gute Chance.)

Ein sehr gutes Buch in vielerlei Hinsicht, empfehlenswert.

Viel Spass beim Lesen!