Rezension

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Toller Regiokrimi mit reichlich verschenktem Potenzial

In tiefen Schluchten - Anne Chaplet

In tiefen Schluchten
von Anne Chaplet

Tori Godon, 42, lebt als ehemalige Anwältin und Witwe in einem wunderschönen, alten, geschichtsträchtigen Haus in Bellewille. Die wilde Landschaft am Fuß der Cevennen ist ein geschichtsträchtiger Ort, gilt es doch nicht nur als Herz des französischen Widerstands während des zweiten Weltkrieges, sondern hier verschanzten sich auch die Hugenotten und kämpften gegen die katholische Übermacht des Sonnenkönigs. Belleville ist selbst ein Ort voller Geheimnisse. Tori stößt bei ihren Recherchen auf eine finstere Vergangenheit, die so mancher Dorfbewohner lieber verheimlichen will. Als ein holländischer Höhlenforscher verschwindet und der alte Didier Thibon bei einem mysteriösen Unfall ums Leben kommt, ahnt Tori, dass es jemanden gibt, der das Geheimnis unbedingt bewahren will.

Ich bin ein großer Fan von französischen Krimis, da ich die Ausflüge in die tollen Landschaften liebe und dabei gleich auch ein wenig über die Eigenheiten von Land und Kultur erlebe. Daher war ich sehr gespannt auf diese neue Landschaft im Süden von Frankreich. Ich wurde nicht enttäuscht. Denn der Autorin gelingt es mit ihren sehr bildhaften Beschreibungen von Umgebung und vom Dorf Belleville, dass ich mir den kleinen Ort sehr gut vorstellen und mit Tori durch die wilde Karstlandschaft regelrecht mitwandern konnte. Auch das Haus "Maison Sarasine", in dem Tori lebt, ist ein architektonisch sehr interessantes Gebäude, das mit seinen Gewölben, Fresken und geheimnisvollen Verstecken geradezu zum Eintauchen und Rätsel raten einlädt. Allerdings ist das nicht der klassische Krimi, den ich erwartet hatte. Die Charaktere sind zwar gut angelegt, aber bleiben oft farblos. Tori wirkt auf mich oft zu schwach und zu naiv und ist in ihrer Art nicht wirklich eine überzeugende Protagonistin. Die Geschichte plätschert eine ganze Weile vor sich hin, bevor der erste Tote überhaupt erstmal vorkommt. Wer eine temporeiche Kriminalgeschichte sucht, wird hier nicht fündig. Denn lange wird von Toris Freundschaft zu der Hündin des Nachbarn, Julie, berichtet und von Tori's eigenen Recherche zur langen Geschichte ihres Hauses, bei dem sie den deutschen Restaurator Jan näher kommt. Auch die Suche nach dem verschwundenen Holländer entwickelt sich nur sehr langsam. Zum Ende hin flacht die Geschichte leider sehr stark ab. Es gibt fast keinen Spannungsbogen und auch nicht wirklich einen echten "Gegner", der Tori bei ihren Recherchen herausfordert oder bedroht. Überhaupt bleiben viele Fragen zum Ende hin offen. Das tragische Geheimnis des Dorfes wird zwar gelüftet, aber die Auflösung wirkte auf mich eher schnell und knapp erzählt. Bleibt zu hoffen, dass eine Fortsetzung hier viele Fäden aufgreift oder ein neuer Fall mit mehr Spannung erzählt wird.

Mein Fazit: Eine schön erzählte Kriminalgeschichte mit einer sehr interessanten kulturell-geschichtlichen Landschaft, aber mit vielen Höhen und Tiefen.