Rezension

Toller Steampunk-Roman!

Das Mädchen mit dem Stahlkorsett
von Kady Cross

Bewertet mit 4 Sternen

Finley ist gefährlich. Unberechenbar. Denn immer wieder lässt eine unbekannte, innere Kraft sie die übermenschlichesten Dinge tun. Sie kann Männer krankenhausreif schlagen, aus Fenstern springen, die mehrere Meter über den Boden sind ohne sich zu verletzen. Der 16-jährigen hat Angst vor sich selbst. Denn wenn diese dunkle Kraft sie wieder übermannt, muss sie wie ein Zuschauer zu sehen, was sie tut. Ganz als würde eine andere Person ihren Körper übernehmen. Als sie zufällig Griffin und seine Gefährten kennenlernt, kommt man ihrem Geheimnis langsam auf die Spur. Und sie lernt endlich, wie es ist, vollkommen akzeptiert zu werden. Doch bald ist Finley auf ihre Kräfte angewiesen. Denn in der Stadt greifen Roboter immer wieder Menschen an. Griff glaubt dabei keineswegs an einen Zufall.

„Eine Aura von Gefahr umgab sie wie ein Ölfilm. Leider konnte er nicht erkennen, ob sie in Gefahr schwebten oder selbst die Gefahr verkörpert.“ S. 115

„Das Mädchen mit dem Stahlkorsett“ entführt Euch in die Welt des Steampunks. Was ist Steampunk? Stellt es Euch als eine alternative Weltgeschichte vor: viktorianisches Zeitalter, Computer, Motorräder, kleine Roboter die als Butler dienen. Die Technik die es dort gibt, dürft Ihr euch aber nicht so vorstellen, wie in unserer Zeit. In einer Steampunk Welt wurde der Faden weitergesponnen, wie die Menschen wohl lebten, wenn es manche Erfindungen schon viel früher gegeben hätte – und wie diese funktionieren würden. Meistens werden alle Maschinen mit Hilfe von Dampf betrieben. Die Pferde vor der Kutsche sind von ihren mechanischen Vettern abgelöst wurden, in denen sich viele kleine Rädchen drehen, die rattern und irgendwoher kommt eine Dampfwolke.
Auch die Mode ist anders. Es gibt durch aus noch hübsche Kleider für die Damen und Fracks für die Herren. Wobei ich beobachtet habe, dass vor allem die Frauen die besondere Kleidung tragen. So sitzt auf manchen Damenkopf ein Zylinder oder eine Fliegerbrille. Es darf auch mal ein ledernes Korsett mit Hose kombiniert werden.

 „Pass gut auf dich auf.“ Finley grinste sie an, während sie ein Bein über das Velo schwang.
„Aufpassen? So macht das Leben doch keinen Spaß.“ S. 166

Und in diese Welt lebt Finley – eine Protagonistin die mir sofort gefiel. Denn sie vereint Gefahr und Zerbrechlichkeit in einer Person, was ich bei weiblichen Charakteren immer besonders schätze. Diese zwei Gegensätze sind bei ihr aber noch deutlicher zu spüren als bei manch anderen Frauen der Sorte. Denn Finley will auf ihren eigenen beiden Beinen stehen – nicht ihrer Mutter und dem Stiefvater zur Last fallen, würde aber am liebsten in das wohlbehütete zu Hause zurückkehren. Denn durch ihre Andersartigkeit steckt sie dauernd in Schwierigkeiten und verliert dauernd ihre Arbeit. Sie wünscht sich, dass sie mit ihrer dunklen Seite akzeptiert wird und Freunde findet. Andere Menschen spüren nämlich die Gefahr die sie umgibt oder meiden sie spätestens, wenn sie die Gerüchte über Finley hören.
Dann gibt es noch die dunkle Finley. In Gefahrensituationen wird ihre Angst zu Zorn, die Hilflosigkeit zu Entschlossenheit. Dabei geht sie keiner guten Schlägerei aus dem Weg. So zweifelt das Mädchen auch viel an sich selbst und an ihre Taten selbst.

Das ändert sich nach und nach als sie auf Griffin und seine Freunde trifft. Denn sie haben selbst ungewöhnliche Fähigkeiten, die sie im Kampf gegen Verbrecher einsetzen. Allen voran will Griffin dem Mädchen helfen, das Geheimnis, was ihr inne wohnt, zu lüften.
Die anderen Charaktere sind zwar ganz leicht stereotypisch angelegt – eine intelligente Wissenschaftlerin, ein attraktiver Gauner – doch Kady Cross hat ihre Charakteren mit vielen Eigenheiten & individuellen Konflikten ausgestattet, damit sie sich doch noch gut von der Masse abheben können.

„Jack Dandy war gefährlich und durchtrieben. Außerdem war er sehr attraktiv, und die Vorstellung, in seiner Nähe zu sein, beunruhigte sie keineswegs so sehr, wie es hätte der Fall sein müssen.“ S. 424

Insgesamt gibt es viele kleine Dinge, weshalb das Buch lesenswert ist. Sehr schön ist die Verflechtung von Klassikern aus der Literatur. Besonders ein Werk spielt hier eine bedeutende Rolle. Da hat sich Kady Cross wirklich etwas Feines ausgedacht. Oder die moralische Frage, wann ein Mensch ein Mensch ist? Was ist überhaupt Menschlichkeit?
Natürlich auch der Schreibstil, der mir wirklich gut gefällt. Er passt zum Steampunk – in diese Welt. Beschreibungen werden mit Worten beschrieben, die wir heutzutage nicht mehr benutzen, aber kennen und Vergleiche werden auf die Dinge aus Finleys Welt bezogen. Dabei verliert sich die Autorin nicht in den winzigen Details, sondern bleibt immer bei dem Wichtigsten, um dem Leser ein gutes, dennoch einfaches Bild zu präsentieren.

„Ich verspreche dir, mit meinen Gefühlen vorsichtig umzugehen, aber davon abgesehen, sind mir die Hände gebunden. Ich kann meinem Herz nicht vorschreiben, was es empfinden soll.“ S. 261

Ich habe die Taschenbuchausgabe gelesen, weshalb ich auch noch auf den rund 100 Seiten umfassenden Prolog zu sprechen komme, der Finleys „1. Fall“ zeigt. Mit „Das unglaubliche Abenteuer der Finley Jayne“ wird dem Leser die Einführung in Finleys Charakter und die Welt einfacher gemacht und so kommt manch Frage beim Lesen des Hauptplots gar nicht erst auf bzw. man versteht Finley besser. Wie zum Beispiel, das sie nicht weiß, an wenn sie sich in einer Notlage wenden soll, obwohl sie Eltern hat, die sie mit beiden Armen empfangen würden.

Volle Punktzahl gibt es dann aber doch nicht: Manche Szenen, Momente sind ein wenig zu übertrieben dargestellt, andere könnten spannender umgesetzt werden, manchmal fühlen sich die Handlungen der Charaktere nicht ganz richtig an oder es ist etwas vorhersehbar. Es sind kleine Unebenheiten, die einen nicht sauer aufstoßen, aber die ich bemerkt habe – es fühlte sich nicht immer ganz rund an.

Also wer auf die ein oder andere Aktionszene steht, nichts gegen ein wenig Romantik hat und mal in ein neues und faszinierendes Setting abtauchen will, ist mit „Das Mädchen im Stahlkorsett“ gut versorgt!