Rezension

Tolles Jugendbuch mit verstörend realistischer Zukunftsversion

Diabolic - S. J. Kincaid

Diabolic
von S. J. Kincaid

Bewertet mit 4.5 Sternen

'Diabolic' von S. J. Kincaid ist ein durchaus ernsthafter, vor allem aber spannender Jugendroman. Die Liebesbeziehung der Hauptpersonen steht weniger im Vordergrund als die Frage nach dem, was 'menschlich' zu sein überhaupt bedeutet. Die Message des Buches ist daher vor allem eins: ein Appell für mehr Toleranz.

In einer fernen Zukunft lebt nur noch der 'Überschuss' auf echten Planeten, die Herrschaftsliga der Menschen lebt auf riesigen Raumstationen, auf denen ihnen allerhand Bots (Roboter) und zu bestimmten Zwecken gezüchtete 'Menschwesen' zur Hand gehen. Eine davon ist Nemesis. Sie ist eine Diabolic, gezüchtet als mordende Bestie, die auf einen Menschen geprägt wurde, um diesen mit ihrem Leben zu beschützen. Nemesis' Herren Sidona hat ihre Diabolic immer mehr als Schwester als als Dienerin gesehen und sie stets ermutigt, ein eigenes Wesen zu entwickeln. Als Nemesis von Sidona getrennt wird, um an ihrer statt als Gefangene an den Kaiserhof zu gehen, muss Nemesis die Aufforderung Sidonas notgedrungen befolgen. Am Kaiserhof gerät Nemesis in einen Schmelztiegel aus Intrigen, Manipulation und Wahnsinn. Die Mutter des Kaiser hat bis auf den als verrückt verschrienen Tyrus keine anderen Anwärter auf den Thron am Leben gelassen, der Kaiser löscht mal eben eine ganze Rige hochgestellter Familien aus, die die aktuelle Politik in Frage gestellt haben. Darunter auch Nemesis' Heimat. Rasend vor Wut will Nemesis ihre Sidona rächen und den Kaiser töten, doch sie wird aufgehalten und findet einen unverhofften Verbündeten. Gemeinsam planen sie ein Komplott, um den Kaiser und seine irre Mutter zu stürzen und Nemesis lernt dabei auch, was es bedeutet, sich auf einen anderen Menschen zu verlassen und sein Vertrauen zu gewinnen. Sie lernt zu lieben.

Das Buch ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend. Die Story und die erdachte Welt sind gleichsam komplex, die Sprache ist dynamisch. Viele technische Begriffe und Eigennamen vermitteln ein realistisches Bild des Erzählten. Die von S. J. Kincaid gezeichnete Zukunft erscheint (erschreckender Weise) durchaus denkbar. Dass Menschen sich nach dem Essen oder zu Feiertagen bewusst und gewollt in schöner Regelmäßigkeit 'zudröhnen', kleine Makel und auch Verletzungen jederzeit mit überall verfügbarer technischer Hilfe behandelt werden können sind nur zwei der Aspekte, die mir gar nicht so abwegig erscheinen. Viel verstörender (allerdings nicht weniger denkbar) sind jedoch die Trennung der Gesellschaft in eine Herrschaftsliga, die Grandiloquay, und den Überschuss, der zwar Steuern zahlen muss, aber nicht am Wohlstand teilhaben darf und das 'Bildungsverbot', das als drohender Untergang dargestellt wird. Neue Technik wird nicht mehr entwickelt. Zur Reparatur von Maschinen und Raumschiffen gibt es ja andere Maschinen... In diese Umgebung einen künstlich geschaffenen Menschen zu setzen, der eigentlich als Tötungsmaschine gezüchtet wurde und trotz seiner gewissenlosen Taten menschlicher erscheint als alle anderen, ist schon ein kleines Kunststück.

'Diabolic' fesselt mit einer verstörenden Gesellschaftsvision, unerwarteten Wendungen und durchaus tiefgehenden Fragen nach dem, was 'menschlich' ist. Ja, Liebe gibt es auch, aber die steht überraschender und erfreulicher Weise eher im Hintergrund und ist nur ein Aspekt von Nemesis Selbsterkenntnis. Das Buch ist schon ein klassicher Jugendroman, aber anspruchsvoll und sehr durchdacht. Ein spannendes Lesevergnügen mit moralischer Botschaft. Klare Empfehlung!