Rezension

Tolles Szenario im verseuchten Eis

Valhalla - Thomas Thiemeyer

Valhalla
von Thomas Thiemeyer

Bewertet mit 4 Sternen

Hannah Peters forscht gerade in der kambodschanischen Wüste, als sie einen Anruf von ihrem amerikanischen Mäzen Stromberg erhält, der sie für ein neues Projekt einsetzt möchte – in Spitzbergen, Norwegen. Obwohl ihr Forscherherz bei der Erwähnung einer uralten Stadt vor jeglicher archäologischen Zeitrechnung in der Besiedlungsgeschichte höher schlägt, ist sie dennoch zwiegespalten, denn ihr Partner John Evans ist nicht mit zu der abenteuerlichen Reise eingeplant und Hannah hasst die eisige Kälte in der Polarregion. Platons geheimnisvolle Verweise auf die sagenumwobene Stadt Hyperborea, die selbst das versunkene Atlantis langweilig erscheinen lässt, sind dann aber doch die richtigen Argumente und lässt die gebürtige Deutsche alle Zweifel vergessen. Kurz darauf wird das gesamte Forscherteam durch einen bösartigen Virus qualvoll getötet, dem nur Hannah auf glückliche Weise entkommt. Dieser Virusstamm ist alt, überlebt in den Gletschern perfekt konserviert und kann das Leben auf der Erde in minutenschnelle auslöschen – es ist das Werk der Nazis, die eine wahnwitzige Idee verfolgten und nun von den ehrgeizigen Russen fortgeführt werden soll! Hat Hannah mit ihren Freunden dagegen überhaupt eine Chance?

Von Thomas Thiemeyer kannte ich bisher nur die erfolgreiche „Eden-Reihe“, weshalb ich fälschlicherweise davon ausging, dass uns mit „Valhalla“ ein Jugendthriller erwartete - dem war allerdings nicht so. Nichtsdestotrotz hat diese Information meinen Lesespaß nicht vermindert, denn einordnen würde ich dieses Buch irgendwo dazwischen. Der Schreibstil von dem Autor ist ein Augenschmaus, der uns wunderbar flüssig durch die Zeilen trägt und selbst schwierige, wissenschaftliche Passagen mit einer Leichtigkeit vermittelt, die ich sonst nur aus dem Genre für jüngeres Publikum gewöhnt bin. Auch bei den vereinzelten Kampfszenen oder kurzen Ausflügen in John und Hannahs Liebeswelt bleiben die Beschreibungen sehr bedeckt, beinahe nüchtern, sodass ich nicht von einem harten Thriller für Erwachsene sprechen möchte, wenngleich das keineswegs ein Minuspunkt ist, da er zum Stil des Stuttgarters hervorragend passt.

Die eigentliche Story entführt uns dann in die mystische Welt der Archäologie, die durch den ernsten Hintergrund der biologischen Waffeneinsätze einen aktuellen Rahmen bekommt. Nach dem fulminanten Finale, welches vielleicht sogar etwas zu reißerisch war, habe ich es bedauert, dass die Fiktion nicht mit in die Realität getragen werden kann. Schließlich wäre eine Stadt unter dem Eis ein wahrer Touristenmagnet und nicht zuletzt eine Sensation, welche die Protagonistin mit ihrer begeisterten Art immer wieder auf die Leser übertrug.

Interessant war, dass der Autor eine kleine Schwäche für den tödlichen Abgang von lieb gewonnenen Charakteren aufweist. Solch einen Verschleiß habe ich schon lange nicht mehr erlebt, war aber ein gutes Mittel zur Steigerung der Dramatik und der Spannung, obwohl es mir bei einigen doch sehr Leid tat.

Hannah war zudem eine bodenständige Protagonistin, die durch ihr fortgeschrittenes Alter (Mitte 40) eine erfrischende Abwechslung zu sonst weiblichen Handelnden war, die meist mit Teenie-Problemen um die Aufmerksamkeit buhlen und die ich gerne wieder begleiten würde – egal ob zu Lande, zu Wasser oder in der Luft. :-)