Rezension

Tortue- Schildkröte

Tage ohne Hunger - Delphine de Vigan

Tage ohne Hunger
von Delphine de Vigan

Bewertet mit 4.5 Sternen

Tortue- Schildkröte, so nennen die Patienten auf der ernährungsmedizinischen Abteilung den Essenswagen. Wenn sein Klappern über den Gang hinweg zu hören ist, bekommen es einige von ihnen mit der Angst zu tun. Die Station, die sich fast unter dem Dach der Klinik befindet, beherbergt „Dicke, Magere, Unterernährte, Magenkranke, Menschen mit kaputter Darmschleimhaut, Diabetiker. Solche–die-zu-viel-fressen, Solche-die-sich-erbrechen, Solche-die-nicht-mehr-schlucken-könne.“ Und unter ihnen befindet sich Laure, die sich kurz vor dem „kalten“ Ende, zu einer stationären Behandlung entschließt. Das junge Mädchen ist neunzehn Jahre alt und magersüchtig. Nun befindet sich Laure im Krankenhaus und muss langsam ihren Körper wieder an Nahrung und sich selbst an das Leben gewöhnen.

Ich muss gestehen, dass ich mich vor der Geschichte ein wenig gegruselt habe. Befürchtete ich doch eine dramatische Handlung, die man nicht in der Lage sein würde ohne eine Großpackung Taschentücher zu lesen. Doch meine Befürchtungen bestätigten sich nicht.Delphine de Vigan gelingt es wieder einmal sowohl die Geschehnisse als auch die Gefühlswelt der Protagonistin auf unspektakuläre, aber präzise Weise darzustellen. Lässt man die einzelnen Sätze auf sich wirken oder liest manche Absätze ein zweites Mal, gehen dem Leser die Geschehnisse sehr nah. Ist man jedoch nicht in einer „Nachdenk-Stimmung“ kommt man dennoch gut durch das Buch und erfährt einiges über diese heimtückische Erkrankung aus der Sicht einer Betroffenen.
Dem Leser geht es wie einem Besucher der ernährungsmedizinischen Abteilung. Man kann in angemessener Entfernung an den Zimmern vorbei gehen und die Schicksale der Betroffenen erahnen. Man wird in einigen Vermutungen, die man selbst zu einer Essstörung hat, bestätigt oder erfährt sogar etwas Neues. Man kann sich aber auch die Zeit nehmen, stehen bleiben und vielleicht an die eine oder andere Zimmertür klopfen. Vielleicht hat man Glück, wird herein gebeten und erfährt was bei dem Erkranktem wirklich hinter seiner verzweifelten Handlung steht.

Fazit:

Ein gelungener Roman zu einem problematischen Thema.