Rezension

Traurig schönes Romandebüt

Fast eine Familie - Bill Clegg

Fast eine Familie
von Bill Clegg

Bewertet mit 4 Sternen

Tragischer kann es kaum kommen: June verliert bei einem Hausbrand nicht nur ihr gesamtes Hab und Gut, sondern auch ihre komplette Familie. Ihre Tochter Lolly und deren Verlobten Will, die just am Unglückstag heiraten wollten, ihren Exmann Adam und ihren neuen Partner Luke. Von Schock, Trauer und Schuldgefühlen wie gelähmt bricht June alle Brücken hinter sich ab und fährt einfach los.

An die Umsetzung des Romans musste ich mich kurz gewöhnen. Fast jedes Kapitel ist aus der Sicht einer anderen Person geschrieben. Sie alle schildern ihre Sicht auf das Unglück und die Verstorbenen, lassen dabei Erinnerungen aufleben und geben dem Leser einen Einblick in ihr eigenes Leben. Es war traurig und schön zugleich zu lesen, wie viele Menschen von diesem Unglück berührt sind. Wie sie trauern, kämpfen und weiterleben. Doch auch und besonders die eigenen Geschichten dieser Personen mache das Buch interessant. Jeder hat sein sprichwörtliches Päckchen zu tragen. Der eine schwerer, der andere leichter. Besonders Lydia, die Mutter des verstorbenen Luke hat schon ihr ganzes Leben lang schwer zu Kämpfen. Ihr wurde viel Unrecht getan, aber auch sie hat große Fehler begangen.

Durch die wechselnde Perspektive wird es nie langweilig mit diesem Buch. Jeder Charakter ist spannend. Und auch dem Brand selbst und dem was davor geschah kommt man immer weiter auf die Spur. Besonders die beide auf ihre Art schwierigen Beziehungen von June zu ihrer Tochter Lolly und Lydia zu ihrem Sohn Luke sind interessant und intensiv geschildert. Dabei wirkt nichts übertrieben oder gestellt. Man leidet mit den Charakteren, deren teilweise alltäglichen Probleme mit dem Wissen um den Brand eine krasse Tragik annehmen. Man will sie aus ihrer Einsamkeit, ihrer Trauer und Lethargie herausholen und ihnen helfen, doch abseits von Verwandtschaft eine neue Familie zu finden. Eingeflochten in diese Erzählungen, finden sich noch wundervolle Beschreibungen der unberührten Landschafts Amerikas.

Mein einziger Kritikpunkt ist, dass alle Personen in der ich-Perspektive erzählen, nur Lydias und Junes Geschichten sind in der dritten Person geschrieben. Das hat mich gerade am Anfang irritiert hin und her blättern lassen. Der traurig schönen Geschichte tut das aber insgesamt keinen Abbruch. Bei all der Trauer gibt der Roman nämlich auch Hoffnung mit. Er zeigt, dass es mehr gute Menschen gibt, als man vielleicht denkt und dass es nie zu spät ist, das Richtige zu tun. Bill Clegg ist mit Fast eine Familie wirklich ein feiner, emotionaler Debütroman zum nachdenken und mitfühlen gelungen.

Kommentare

LySch kommentierte am 28. Juni 2017 um 08:30

Schöne Rezi! :) Ist mal auf meiner WuLi gelandet... ;)