Rezension

Trauriger Narr

Tyll - Daniel Kehlmann

Tyll
von Daniel Kehlmann

Bewertet mit 3.5 Sternen

Grandiose Geschichte vom wahrheitsliebenden Narren und den einfältigen Herrschern seiner Zeit.

Setting des Romans ist der Dreißigjährige Krieg, der Deutschland in Schutt und Asche legt und der Bevölkerung Hunger, Pest und eine Herrschaft der Willkür beschert. Erzählt werden, in längeren und kürzeren Kapiteln, Episoden aus Adel, Klerus und dem einfachen Volk als Anstifter, Nutznießer oder Leidende unter dem Krieg. Tyll Ulenspiegel, Gaukler und bezeiten Hofnarr, ist das verbindende Element zwischen den Episoden. Geschickt wurde er, der bereits im Mittelalter gelebt haben soll, in diese Zeit transferiert. Er trifft auf alle der Protagonistinnen und Protagonisten, den historisch belegten Personen, konfrontiert sie mit ihren Fehlern und Missetaten, macht sie dabei lächerlich, dies psychologisch geschickt und nicht selten brutal. Er ist keinesfalls ein lustiger Geselle, sondern selbst gebrochene Persönlichkeit ob all dem, was er in jungen Jahren erleben musste während des Hexerprozesses gegen seinen Vater und in den ersten Jahren seiner Gauklerreise durch Deutschland zusammen mit der Bäckerstochter Nele. Was ihn bestärkt: Genau hinsehen zu können, sich in andere verwandeln zu können, etwas zu können, was sonst keiner so gut kann, nämlich auf dem Seil zu tanzen.

Traurige Geschichte reiht sich an trauriges Schicksal, verschiedene persönliche Perspektiven werden beleuchtet und bieten einen Einblick in die Tiefen der menschlichen Seele, der Selbstüberschätzung und daraus resultierender fehlerbehafteter, verheerender Entscheidungen, die eine ganze Nation in tiefe Not stürzen.

Die Geschichte von Tyll, die zur Geschichte aller anderen Protagonistinnen und Protagonisten bzw. der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges wird, oder umgekehrt, wird nicht chronologisch erzählt. Ein gelungener Kunstgriff. So entfalten sich Hintergründe und Charaktere meist erst in einer Episode, in der man damit nicht rechnete.

Ein Roman, der beim Lesen volle Aufmerksamkeit verlangt und auf dessen traurige Grundstimmung man sich einlassen muss. Ein Stück deutsche Geschichte einmal anders vorgetragen. Lesenswert.

Kommentare

E-möbe kommentierte am 28. Dezember 2017 um 12:40

Warum dann nur 3,5 Sterne? Grandios ist doch ein Wort, das problemlos mit 5 besetzt werden kann? Ich sehe keine Kritik, die deine 3,5 Sterne rechtfertigt. Seltsam.

lesebrille kommentierte am 07. Februar 2018 um 07:45

Da habe ich mich auch gerade drüber gewundert. Über die wenigen Bewertungspunkte nach der guten Rezension.