Rezension

Treffen sich zwei alte Männer...

Und Marx stand still in Darwins Garten - Ilona Jerger

Und Marx stand still in Darwins Garten
von Ilona Jerger

Bewertet mit 3.5 Sternen

„Jeder Gedanke musste stets von neuem bearbeitet und poliert, ausgestrichen und wieder eingefügt werden.“ (S. 41)

Zusammenfassung. In „Und Marx stand still in Darwins Garten“ werden wir Zeuge der letzten Jahre zweier großer, umstrittener Denker, die sich im echten Leben nie begegnet sind – von deren ausgemalter Begegnung wir hier aber lesen dürfen.

Erster Satz. Charles hatte, als ihm die drei Gestalten am Zaun auffielen, gerade darüber nachgedacht, was eine Heckenbraunelle empfindet, wenn sie mehr als hundert Mal am Tag für eine Zehntelsekunde kopuliert.

Cover. Das Cover ist von der Idee her gelungen, gefällt mir in der Umsetzung jedoch optisch einfach nicht so gut. Der Titel hingegen hatte mich schon von diesem Buch überzeugt, ehe ich überhaupt den ersten Satz gelesen hatte.

Inhalt. Ich hätte im Vorfeld nicht gedacht, dass ich in diesem Buch so viel über Darwins Arbeitsweise, seiner Erkenntnisse und seine Forschungsreisen erfahren würde, das hat mir jedoch gut gefallen. Etwas weniger gut gefallen hingegen hat der Stil: Irgendwie hatte ich zwischendurch den Eindruck, dass die Geschichte etwas planlos erzählt wird. Da ist ein Rückblick, der mich im Gesamtkontext eher verwirrt hat; da sind ständige Perspektivwechsel, die nicht unbedingt schlecht, aber zumindest bisweilen irritierend waren.
Abgesehen davon überzeugt das Buch hauptsächlich durch seine

Personen. Einiges war anders als ich es erwartet hatte. Das Treffen der beiden Hauptfiguren wurde stark herausgezögert und geschieht erst deutlich nach der Hälfte, das hat mich überrascht; außerdem lag der Fokus deutlich mehr auf Darwin und seinem Leben als auf Marx (durchaus keine schlechte Entscheidung, scheint doch Darwin der deutlich sympathischere Zeitgenosse gewesen zu sein). Zweiteres hinterließ bei mir nur leider das Gefühl, dass der Marx im Titel hauptsächlich Leser anlocken soll, denn bei aller historischer Genauigkeit (soweit das eben möglich ist) hätte ich mir bei einem Roman mit dem Titel „Und Marx stand still in Darwins Garten“ doch etwas mehr Marx-und-Darwin-Action gewünscht.
Gut war jedoch, dass bei mir der Eindruck entstand, dass die von den historischen Persönlichkeiten gezeichneten Bilder nah an der Realität gelegen haben könnten.
Eine völlig andere Situation bei dem Bindeglied zwischen Marx und Darwin, Doktor Beckett, der der Phantasie der Autorin entspringt und so vielleicht einfacher mit Leben zu füllen war; auch das ist gut gelungen und hat einen Protagonisten geschaffen, der sympathisch und spannend war.

Lieblingsstellen. „Gesetzt den Fall, es gibt einen Gott, welche Rolle spielt er dann bei der Evolution? Könnte es nicht sein, dass sich Gott statt in Wundern in Naturgesetzen äußert?“ (S. 223)

Fazit. Zu meinem Bedauern konnte mich der Roman selbst nicht in dem Maße begeistern wie es dem Titel gelungen ist. Zu sehr am Rand blieb Marx, zu inkonsistent schien mir der Stil.
Doch Spaß gemacht und gefesselt hat er dennoch, die an ihn gestellten Erwartungen waren bloß einfach zu hoch.