Rezension

Trotz Makel bezaubernd und magisch

In Kalabrien - Peter S. Beagle

In Kalabrien
von Peter S. Beagle

Claudio Bianchi lebt seit vielen Jahren allein auf einem Hügel in den Bergen Süditaliens, in Kalabrien. Er teilt sein Leben lediglich mit seinen vielen Tieren, seinen Kühen, Katzen und Ziegen, auf die Gesellschaft des gelegentlich vorbeischauenden Postbotens oder anderen Nachbarn, die sich anschicken, ihn zu besuchen, scheint er getrost verzichten zu können - ebenso auf das moderne Leben, dem er sich durch seine Zurückgezogenheit verweigert. Er hat sich der Landwirtschaft und der Dichtkunst verschrieben und erwartet nicht, dass sich in seinem Leben noch viel verändert. Doch dann taucht ein Einhorn auf seinem Land auf. Mit seinem plötzlichen Erscheinen verändert er Bianchis Leben auf ungeahnte Weise, und er muss weite Wege gehen, um diese mystische und wunderschöne Gestalt zu beschützen.

Ich hätte "In Kalabrien“ sehr gern mehr gemocht, als ich es letztendlich tat. Die Geschichte hatte eine sehr schöne, ruhige und magische Atmosphäre, und konnte mich durch Beagles wunderschöne Art zu schreiben und vor allem zu beschreiben, wirklich begeistern. So habe ich das Buch sogar in einem Rutsch durchgelesen. Ich bin kein großer Fan von Einhörnern (auch wenn ich natürlich Beagles „Das letzte Einhorn“ schon kannte und mochte), aber dennoch fand ich die Geschichte um das Einhorn, das Claudio Bianchi liebevoll La Signora nennt, und Bianchi selbst, seine Fürsorge für das magische Geschöpf und die Art und Weise, wie so eine Erscheinung das Leben des Mannes, der so zurückgezogen lebt und versteift auf das ist, was er kennt, sehr einnehmend. Auch das Setting gefiel mir wirklich sehr, in den Bergen Süditaliens, in Kalabrien, am großen Zeh des italienischen Stiefels. Einsam, zurückgezogen, ländlich.

Sobald sich aber herausstellte, dass sich eine Romanze zwischen Claudio Bianchi (eigentlich Ende 40, aber oft wie Ende 60 wirkend) und der ein paar Jahrzehnte jüngeren Schwester des Postboten, Giovanna, entwickeln würde, wurde mir etwas schwer ums Herz und ich fing an, mich mit dieser forcierten und falsch anfühlenden "romantischen Entwicklung" unwohl zu fühlen. Leider hat das meinen persönlichen Lesegenuss doch beeinträchtigt, auch wenn dieser Aspekt der Geschichte eher selten im Vordergrund stand. Als etwas störend empfand ich jedoch auch die häufig in Dialoge eingeworfenen italienischen Wörter und Phrasen. Auch wenn ich die meisten davon auch ohne Nachschlagen verstehen konnte, so trugen sie für mich auch nicht zur Authentizität bei, sondern wirkten ebenfalls eher erzwungen oder etwas fehl am Platz. Schließlich sprechen die Figuren zu jeder Zeit Italienisch, nicht immer nur bruchstückhaft. Und auch das Ende konnte mich leider nicht wirklich überzeugen, war sogar für mich etwas verwirrend und hatte nicht mehr so viel von dem Charme des stillen, magischen Realismus, den die Geschichte zuvor sorgsam entwickelt hatte.
Insgesamt mochte ich „In Kalabrien“, auf wenigen Seiten schaffte es Beagle, viel Inhalt in eine schöne, lyrische Sprache zu packen und eine moderne Geschichte mit Einhörnern zu schreiben. Leider waren mir dafür jedoch die Figuren zu wenig entwickelt und nicht vielschichtig genug, als dass mich ihre persönliche Geschichte wirklich interessierte und bewegte. Hinzu kamen die befremdliche Mai-Dezember-Romanze und ein etwas zu actiongeladenes Ende für die zuvor so stille Erzählung. Kleine Makel, durch welche die eine ansonsten sehr schöne und empfehlenswerte Erzählung leider etwas an Magie verliert.