Rezension

Über die Liebe zur Literatur

Die Geschichte des Regens - Niall Williams

Die Geschichte des Regens
von Niall Williams

„Die Geschichte des Regens“ ist der neue Roman des irischen Autors Niall Williams (Longlist des Man Booker Prize 2014). Der Autor erzählt hier die Geschichte von Ruth Swain, einer jungen Frau, die durch eine schwere Krankheit ans Bett gefesselt ist. Literatur und Familie, diese beiden Themen stehen im Mittelpunkt, ein drittes Thema jedoch ist allgegenwärtig, nämlich das langsame Fließen des Wassers. Ob das nun der ständig vor sich hin plätschernde Regen oder der gemächliche Lauf des Shannon ist, an dessen Ufer sich das Elternhaus der Protagonistin befindet, es sind diese langsamen Bewegungen von hier nach dort, die sich direkt auf den Erzählstil auswirken.

Williams erzählt die Geschichte von Ruth Swain, einer jungen Frau, die durch eine schwere Krankheit ans Bett gefesselt ist. Bereits seit frühester Jugend hat sie ein Faible für Geschichten, nicht verwunderlich für Irland, wo es sogar ein eigenes Wort, nämlich Senachi, für die traditionellen Geschichtensammler und -erzähler gibt. Die Liebe zur Literatur hat Ruth von ihrem Vater Virgil geerbt. Glücklos als Bauer, aber ein passionierter Geschichtenerzähler, der im Laufe seines Lebens annähernd viertausend Romane gesammelt hat. Sein Vermächtnis für Ruth, denn in diese Welten taucht sie nun ein, kann aus ihrer krankheitsbedingten Untätigkeit flüchten und sich so die Zeit vertreiben. Die literarischen Figuren inspirieren sie zur Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Familiengeschichte: Urgroßvater und Großvater, skurrile Typen, die man in dieser Ausprägung wohl nur auf der Insel findet. Natürlich auch Virgil, ihr Vater, als Bauer völlig fehlbesetzt, aber ein wahrer Poet, der sogar seinen Kühen William Blake vorliest.  Und last but not least Ruths fehlende Hälfte, ihr Zwillingsbruder Aeney, leider bereits verstorben.

Ruth lebt zwischen Gestern und Morgen, ihre Gedanken wechseln sprunghaft in den Zeiten hin und her, sie kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen. Da ihr der Kontakt zu Gleichaltrigen fehlt und sie ihre Lebensweisheit aus Romanen bezieht, hört sich das oft altklug und altersweise an. Fantasie und Melancholie, Ironie und Trauer, alles hat seinen Platz in ihren Gedanken, die dahinfließen wie der Shannon vor dem Fenster.

„Die Geschichte des Regens“ ist ein Buch über die Liebe zur Literatur. Über deren heilende Kraft. Über den Schutz, den diese vor der Welt dort draußen bietet. Und über den Trost, den sie spenden kann.