Rezension

Über die Rolle der Frauen im Krieg und die Bedeutung gemeinsamen Singens

Der Frauenchor von Chilbury - Jennifer Ryan

Der Frauenchor von Chilbury
von Jennifer Ryan

Bewertet mit 5 Sternen

Der mit 477 Seiten recht eindrucksvolle Debütroman der Autorin widmet sich rund sechs Monaten (März bis September) in der Anfangszeit des Zweiten Weltkriegs in England. Schauplatz ist ein kleines Dorf in der Grafschaft Kent, das zu dieser Zeit nur noch von Frauen, Kindern und wehrdienstuntauglichen Männern bewohnt wird. Einige der Dorfbewohnerinnen schildern abwechselnd in Tagebucheinträgen und Briefen, wie sich ihr Leben unter den sich ausbreitenden Kriegsgeschehnissen abspielt und verändert, ergänzt durch sporadische Anschläge am Gemeindesaal und Notizen anderer Romanfiguren. Die Frauen sind grundverschieden – als da wären die ängstliche und zurückhaltende verwitwete Krankenschwester Mrs. Tilling, die dreizehnjährige unglücklich verliebte Kitty mit dem Berufswunsch Sängerin, ihre ältere, ausschweifend lebende Schwester Venetia, die geldgierige Hebamme Mrs. Paltry. Alle finden sich zusammen in dem neu gegründeten Frauenchor des Dorfes, der – weil männerlos – zunächst misstrauisch beäugt wird. Das gemeinsame Singen gibt ihnen in den schweren Kriegstagen ein wenig Glück und Zuversicht und bewirkt bei jeder einzelnen Veränderungen, vor allem einen Gewinn an Selbstbewusstsein.

 

Das Buch besticht vor allem dadurch, dass es sich um keine epische Erzählung handelt, sondern um eine Aneinanderreihung von Tagebuchnotizen und Briefen, ohne dass ich es damit als Brief-/Tagebuchroman bezeichnen würde. Die jeweiligen Verfasser haben so unterschiedliche Schreibstile und Sichtweisen, dass es richtig Spaß macht, Eintrag um Eintrag zu lesen. Alle zusammen genommen ergeben ein recht ausführliches Bild von den ersten Kriegsmonaten und den Nöten der Zivilbevölkerung. Mrs. Tillings Ausführungen sind entsprechend ihrem Naturell eher ernst und bedächtig, die von Kitty romantisch und humorvoll. Recht lustig sind die Pannen der Hebamme und ihre Verballhornungen von Redewendungen (z.B. trampelnde statt trapsende Nachtigall). Eine besondere Bedeutung kommt einigen Liedern zu, die vom Frauenchor gesungen werden und nach Titel und Text benannt sind (z.B. All Creatures of Our God and King). Sie regen geradezu zum Mitsummen an.

Trotz des ernsten Kriegshintergrunds ein Buch, das sich angenehm lesen lässt und das ich wirklich empfehlen kann.

Kommentare

Brocéliande kommentierte am 30. August 2017 um 22:22

Hat mir auch sehr gefallen :) Toller Roman!