Rezension

Über ein Thema, was viel zu selten behandelt wird

54 Minuten - Marieke Nijkamp

54 Minuten
von Marieke Nijkamp

Bewertet mit 4 Sternen

Jeder Autor geht mit dem Thema „Amoklauf an Schulen“ anders um. So ist auch Marieke Nijkamps Roman „54 Minuten“ eine Geschichte, die einen anderen Blickwinkel bietet, dabei aber leider auch teilweise unzureichend wirkt.

 

Die Handlung ist einfach erklärt: An einem anscheinend ganz alltäglichen Morgen am Anfang des Schuljahres stürmt der Schüler Tyler die Aula seiner Schule während die Direktorin die Einführungsrede für das neue Schuljahr hält. Er schießt um sich, so beginnen die 54 Minuten des Schreckens. Diese Zeitspanne wird aus der Sicht von vier unterschiedlichen Schülern geschildert, welche untereinander befreundet bzw. verwandt sind. Dies verleiht dem Geschehen viele Blickwinkel, die den Amoklauf immer wieder anders beleuchten und somit Einseitigkeit vorbeugen. Einzig und allein am Anfang des Buches war es schwer die Beziehungen untereinander zu verstehen und sich einen Überblick zu verschaffen.

 

Die Personen sind sehr unterschiedlich. Ohne viel zu verraten, stehen sie jeweils für verschiedene Charakterzüge, z.B. spürt eine Person ihre Unsicherheit sehr stark, eine andere wiederum steckt voller Mut und Risikobereitschaft, um die Situation und seine Mitmenschen zu retten. Die Konstellation und Verstrickung der Charaktere ist mir im Nachhinein positiv aufgefallen, obwohl ich dem Punkt zuerst kritisch gegenüberstand. Hin und wieder hinterfragt man als Leser die Entscheidungen der Personen, aber auch die der Polizei. Manches scheint nicht realistisch genug oder etwas unglaubwürdig.

 

Nijkamp verwendet einen durchgehend hoffnungsvollen und emotionalen Schreibstil. Man mag sagen, dass manchmal Sprüche enthalten sind, mit denen das Leben wertgeschätzt werden soll, die jedoch zu trivial und „ausgelutscht“ klingen. Im Geschehen wirken sie jedoch äußerst passend. Es wird weder zu ausschweifend noch zu abgehackt oder reduziert geschrieben.  Die Autorin ergänzt die Geschichte durch Tweets und Blogeinträge, die zur heutigen Kommunikation zwar passen, aber manchmal sehr verwirren und nur noch mehr Fragen aufwerfen. Es ist zwar ein guter und schlauer Versuch mittels den Tweets den Bezug zum digitalen Zeitalter aufzustellen, aber man hätte sie besser weglassen sollen.

 

Das Cover ist schlicht und schulbezogen gestaltet. Die mit Kreide geschriebenen „54 Minuten“ erinnern stark an den Roman „19 Minuten“ von Jodi Picoult. Die Kreide im unteren Teil des Covers wird durch eine Kugel zertrümmert. Zeigen die vier verschiedenen Farben der Kreide möglichweise eine Verbindung zu den vier unterschiedlichen Protagonisten der Geschichte? Insgesamt überzeugt die Gestaltung des Romans durch schlichte, aber prägnante Aussagen und Texte auf der Rückseite und im Umschlag.

 

„54 Minuten“ ist ein weiteres Buch über das heikle Thema des Amoklaufs in Schulen und nimmt den Leser mit in einen schrecklichen Morgen und an die Seite von vier Schülern, die den schrecklichsten Tag ihrer Kindheit erleben. Dabei erweckt die Autorin viele Gefühle im Leser, die den emotionalen Standpunkt vollkommen vermitteln können. Leider hat das Buch kleinere Defizite, die aber nicht so stark gewichten, dass es ein Flop ist. Der Roman ist auf jeden Fall empfehlenswert und war ein Leseerlebnis, wie man es selten erlebt.