Rezension

Überflüssiger Wortschwall.

Kraft - Jonas Lüscher

Kraft
von Jonas Lüscher

Bewertet mit 3 Sternen

Die Nominationen des Deutschen Buchpreises 2017 "schaffen einen" - bis auf wenige Ausnahmen.

Von den elf von mir bisher gelesenen nominierten Romanen des Deutschen Buchpreises 2017 haben mich bisher überzeugt: „Die Hauptstadt“; Robert Menasse; „Das Floß der Medusa“, Franzobel; „Onkalo“, Kerstin Preiwuß und „Sieh mich an, wenn ich mit dir rede“, Monika Helfer. „Kraft“ gehört nicht dazu.

Im Einzelnen: Inspiriert unter anderem durch einen eigenen mehrmonatigen Aufenthalt an der Stanford Universitiy, USA, Kalifornien, verbringt der Lüschersche Antiheld Richard Kraft zwei Wochen am Hoover Institution on War, Revolution and Peace. In der dortigen Bibliothek bereitet sich der Geisteswissenschaftler auf einen Vortrag vor, einen geisteswissenschaftlichen Contest, der von einem überspannten Milliardär mit einer Million Dollar dotiert ist. Gelöst werden soll die Frage nach der Theodizee, etwas gekürzt auf die Formel gebracht: Warum ist alles gut, was ist?

Der Held Professor Kraft, ein Schwafler vor dem Herrn und ein Versager auf allen Gebieten, so lässt der Autor ihn auftreten, überdenkt in Assoziationen sein bisheriges Leben und präsentiert schließlich auf die eigentlich unlösbare Problemstellung hin eine überraschende Darbietung.

Wenn man die Geschichte ihres Fleisches entkleidet, was heißt, Wortschwälle und Satzungetüme wegstriche, käme als Skelett durchaus eine originelle, aber sehr kleine Story heraus. Warum Richard aber so ist, wie er ist und warum er sein eigentlich ganz behagliches Leben in den Sand setzt, bleibt unbesprochen.

Das Überkleiden mit Worten scheint das eigentliche Anliegen des Buches zu sein. Es streift in den Lüscherschen Satzergüssen  allerhand gesellschaftsrelevante Themen und zynisch schlaglichternd reichen die schwadronierenden Einstreuungen von der deutschen Politik der 70er Jahre bis hin zu den Auswüchsen der Technikhörigkeit Silikonvalleys.

Darin enthalten sind ein gewisser Witz, Ironie, Zynismus und Gesellschaftskritik, aber im Gesamten gesehen, sind weder die Story per se noch Lüschers Anmerkungen zur Historie besonders erhellend oder interessant, auf den Punkt gebracht: zynisch und banal. Was dieser Roman deshalb auf der Longlist des Deutschen Buchpreises zu suchen hatte, ist mir unerklärlich.

Fazit: Die Story ist ein bisschen witzig und enthält einige Überraschungseffekte, bleibt aber klein und ist psychologisch nicht unterfüttert, die Einbettung in einen gigantischen Redefluss nervig und überflüssig.

Verlag: C.H. Beck, 2017
Kategorie: Anspruchsvolle Literatur // Auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2017

Kommentare

Steve Kaminski kommentierte am 19. November 2017 um 23:17

Wortschwälle, Satzergüsse, schwadronierende Einstreuungen :-) oh je!

Emswashed fragte am 27. November 2017 um 17:02

Alles gut und schön, aber was mich eigentlich interessiert, ist, was hast Du an der Stanford Uni gemacht? :)

wandagreen kommentierte am 27. November 2017 um 17:03

Dem Autoren nachspioniert.

Emswashed folgerte am 27. November 2017 um 17:13

Mehrere Monate? Bist Du Detektivin, Groupie oder Stalkerin?

wandagreen kommentierte am 27. November 2017 um 17:49

Ich habe dort gesaugt. Mit dem Hoover. Der Autor hats im Buch erwähnt. Hat den Protagonisten mächtig abgelenkt.