Rezension

Übernatürliche Wesen auf der RMS Titanic

Fateful - Claudia Gray

Fateful
von Claudia Gray

Bewertet mit 3 Sternen

Die Titanic ist wohl jedem ein Begriff - spätestens, seit Kate Winslet und Leonardo DiCaprio im gleichnamigen Film zu den Klängen von "My Heart Will Go On" am Bug des berühmtesten Schiffes der Welt standen.

In einem originellen Genremix aus historischem Roman und Fantasy verbindet Autorin Claudia Gray die Geschichte des Unglücks mit übernatürlichen Wesen, die man nicht unbedingt an Bord eines Schiffes vermuten würde. Aber so originell diese Grundidee auch ist, die Umsetzung konnte mich dennoch nicht vollkommen überzeugen. Schlecht ist das Buch sicher nicht, aber für mich ist es eher eine nette Lektüre für zwischendurch als eine, die wirklich begeistert.

Man weiß ja von Anfang an, dass die Titanic untergehen wird. Insofern fragt man sich als Leser natürlich, ob die beiden Protagonisten Tess und Alec die Katastrophe überleben werden und ihre Liebe eine Zukunft hat, was schon für eine gewisse Spannung sorgt. Dazu kommt noch, dass das erstmal ihr geringstes Problem ist, weil Alex ein gefährliches Geheimnis hat und er und Tess es mit dem skrupellosen russischen Grafen Mikhail zu tun bekommen, für den Töten ein angenehmer Zeitvertreib ist.

Leider fand ich vieles jedoch etwas vorhersehbar oder auch nicht glaubwürdig, was der Spannung dann wiederum Abbruch tat. Ich möchte hier nicht zu viel verraten, aber sagen wir mal so: die übernatürlichen Wesen, um die es hier geht, lassen sich eigentlich nur sehr schlecht an Bord eines Luxuskreuzers mit tausenden von Passagieren verstecken. Das, was man über diese Wesen und ihre Gesellschaft erfährt, fand ich durchaus interessant, aber es bleibt bei eher oberflächlichen Einblicken.

Tess war für mich ein sehr sympathischer, glaubwürdiger Charakter. Sie arbeitet schon als Dienstmädchen, seit sie dreizehn Jahre alt ist, und ihre Dienstherrin ist ein echter Hausdrache. Tess bekommt selten genug zu essen, im Winter gefriert des Nachts das Wasser in ihrer Waschschüssel, weil an die Bediensteten kein Feuerholz verschwendet wird, und sie muss von morgens bis abends sehr hart arbeiten. In gewisser Weise hat Tess es verinnerlicht, dass sie gehorchen muss und weniger Wert ist als die Adligen und reichen Kaufleute. Aber sie ist auch entschlossen, intelligent und loyal, und sie kann sehr mutig sein, wenn es sein muss.

Interessant fand ich, dass wir durch Tess' Augen die Gesellschaft ihrer Zeit sehen, vor allem die Klassenunterschiede und die Vorurteile.

Alec ist zwar der Sohn eines reichen, einflussreichen Mannes, aber dennoch nicht eingebildet oder oberflächlich. Für ihn ist Tess von Anfang an nicht weniger wert, nur weil sie ein Dienstmädchen ist. Er ist ein rundum lieber Kerl ohne die geringsten Macho-Allüren, aber er blieb für mich einfach ein bisschen farblos.

Manche der Nebencharaktere fand ich ehrlich gesagt interessanter als ihn. So teilt sich Tess zum Beispiel ihre Kabine in der dritten Klasse mit zwei goldigen alten Norwegerinnen und der forschen jungen Libanesin Myriam, und das zwingt sie, die Vorurteile über Ausländer zu hinterfragen, die damals ganz normal und alltäglich waren.

Da die Liebesgeschichte zwischen Tess und Alec sich zwangsläufig innerhalb von nur 5 Tagen abspielen muss, ist es natürlich mehr oder weniger Liebe auf den ersten Blick. Dennoch ist es, bis auf wenige Szenen, keine Liebesgeschichte mit überschäumenden, dramatischen Emotionen - sie ist süß und niedlich, aber so richtig bewegt hat sie mich nur gegen Ende.

Vieles, was über Tess' Aufgaben und Alltag beschrieben wird, wiederholt sich, und mir fehlte oft das Gefühl, wirklich an Bord der Titanic zu sein. Abgesehen davon, dass manchmal erwähnt wird, dass es kälter wird und kleine Eisbrocken im Wasser treiben, kann man man in meinen Augen über lange Passagen fast vergessen, dass das Schiff auf eine Katastrophe zusteuert!

Der Schreibstil ist angenehm und flüssig, und auch die Übersetzung scheint mir gut gelungen.

Fazit:
Die junge Tess will eigentlich nur die Familie ihrer unangenehmen Dienstherrin auf einer Schiffsreise nach Amerika begleiten - und da endlich kündigen und ein neues Leben anfangen. Allerdings stehen ihr da drei Dinge im Weg: a) sie verliebt sich, b) sie muss feststellen, dass manche übernatürlichen Wesen mehr sind als Legende und c) da Schiff ist die RMS Titanic.

Diese Mischung aus historischem Roman und Fantasy liest sich zwar nicht schlecht, aber so richtig konnte die Autorin das Potential in meinen Augen nicht ausreizen.  Die Liebesgeschichte ist nett, man kann erahnen, dass die übernatürlichen Wesen im Geheimen eine komplexe Gesellschaft aufgebaut haben, aber dennoch plätscherte die Geschichte für mich eher dahin. Erst gegen Ende, als die Titanic schon auf den Eisberg zusteuert, kommt wirkliches Drama auf.