Rezension

Überraschend anders

Überleben ist ein guter Anfang - Andrea Ulmer

Überleben ist ein guter Anfang
von Andrea Ulmer

Bewertet mit 5 Sternen

Anja Möller geht auf Anraten ihres Mannes in eine Selbsthilfegruppe für krebskranke Frauen, obwohl sie selbst nicht viel davon hält. Doch dieser Besuch gerät so ganz anders, als sie erwartet hat: Die wenigen Mitglieder der Gruppe sind äußerst unterschiedlich, es wird viel gelacht, die Krankheit spielt scheinbar nur eine Nebenrolle. Die 83jährige Sieglinde plant noch eine Weltreise und bringt alle dazu, gemeinsam einen Baum zu pflanzen. Doch das Schicksal ist schneller, sie stirbt, bevor sie die Reise antreten kann. An ihrer Stelle beginnen nun die restlichen Frauen der Selbsthilfegruppe die Reise – und erleben noch eine ganze Menge Freude miteinander. 

Eine Auseinandersetzung mit der Krankheit Krebs, mit dem Tod, der die Frauen früh aus dem Leben reißen wird – als ich den Klappentext las, dachte ich zunächst, nein, das Thema ist mir zu deprimierend, das lese ich nicht. Dann aber war ich überrascht von den vielen positiven Kritiken, die das Buch erhalten hat, und habe es doch gelesen. Zum Glück. 

Mit der Geschichte der fünf Frauen, die dem Krebs noch ein Stück „Lebensqualität“ abtrotzen und dabei viel Freude miteinander haben, hat die Autorin eine überraschende und äußerst charmante Geschichte geschrieben. Sie widmet sie ihrer Mutter, deren Lebensfreude und positive Einstellung die Grundlage für dieses Buch ergeben hat. Natürlich schimmert immer wieder die pure Verzweiflung der Frauen durch, wenn ihnen der Krebs viele scheinbar so einfache Handlungen im Alltag verweigert, doch es überwiegt eine heitere Atmosphäre, eine starke Gemeinschaft, die sich nicht unterkriegen lassen will, sei es im Kampf gegen die Wäsche der Daheimgebliebenen, die halt mal per Telefonanweisung erklärt wird, sei es im Kampf gegen die Naturgewalt, wenn Anja bei der Bootstour ins Wasser fällt. Probleme werden auf pragmatische Art gelöst, und es findet sich für jedes Problem eine Lösung. Sogar wenn auf dem Flughafen der Koffer verschwindet, der die kostbaren Tabletten mit der Chemotherapie und die Souvenirs für Sieglinde enthält – auf wundersame Weise taucht er wieder auf, wenn eine Einheimische danach fragt. Und ganz nebenbei entsteht eine Freundschaft zwischen diesen so unterschiedlichen Frauen, die sie gemeinsam durch gute und schwere Tage trägt. 

Trotz der Schwere des Themas ist der Autorin somit eine unterhaltsame Geschichte gelungen, die den Fokus darauf richtet, auch noch in schwierigen Zeiten nach positiven Momenten zu suchen, und seien sie noch so klein. Die sechs Frauen der Erzählung erhalten jede ihren eigenen Charakter, so dass es eine Freude ist, ihren Erlebnissen zu folgen. Das Buch ist so überraschend anders als zunächst erwartet (oder gar befürchtet), dass ich es unbedingt weiterempfehlen möchte.