Rezension

Überraschendes Lesehighlight

Das Labyrinth erwacht - Rainer Wekwerth

Das Labyrinth erwacht
von Rainer Wekwerth

Bewertet mit 5 Sternen

‟Das Labyrinth erwacht“ von Rainer Wekwerth ist der Auftakt einer deutschen Jugendbuch-Trilogie und einzuordnen als Action- beziehungsweise Science-Fiction-Thriller.

Inhalt: Sieben Jugendliche erwachen ohne Erinnerungen an ihre vorherigen Leben in einer unwirklichen Welt aus Steppe und Wald. Sie erhalten eine Nachricht: Sie haben 72 Stunden, um einem Stern zu folgen und so die Tore zu finden, die aus dieser Welt herausführen. Allerdings gibt es nur 6 Tore. Einer muss zurückbleiben und so wird es sich in weiteren Welten fortsetzen, bis nur noch ein einziger übrig ist, der das Labyrinth verlassen darf. Ohne zu wissen, wer sie dort hingeschickt hat, machen sich die Jugendlichen auf den Weg und merken schnell, dass sie nicht allein sind im Labyrinth. Jemand jagt sie....

Fast schon überraschenderweise konnte mich dieses Buch von der ersten Seite an mitreißen. Ich bin nämlich durchaus skeptisch herangegangen, denn bei einer größeren Anzahl von Protagonisten, ob in Büchern oder Filmen, erwartet den Leser/Zuschauer für gewöhnlich ein Hauptcharakter, vielleicht auch ein Pärchen, auf dem der gesamte Fokus der Geschichte liegt, während der Großteil der anderen Figuren eher blass bleibt und vorhersehbar, Opferlämmern gleich, mitgeschleift wird, um sie nach und nach dem Feind zum Fraß vorzuwerfen. Denn Hauptfigur/-pärchen trifft es selbstverständlich erst am Ende und dieses Wissen zusammen mit wenig ausgearbeiteten Nebencharakteren machen eine solche Protagonisten-Gruppen für mich – normalerweise – eher langweilig.

Und so wurde ich positiv überrascht, denn, auch wenn ‟Das Labyrinth erwacht“ schnell erste Ansätze eines Pärchens zeigt und sich auch zwei, drei stärkere Charaktere herauskristallisieren, schafft es der Autor durch kapitelweise wechselnde Perspektiven jeden der sieben Protagonisten fast gleichberechtigt zu Wort kommen zu lassen und dem Leser einen tieferen Einblick in seine Persönlichkeit zu geben. So lernte ich alle Sieben – Mary, Kathy, Mischa, Jeb, Jenna, Léon, Tian – mit ihren grundverschiedenen Eigenschaften kennen. Keiner blieb blass oder wirkte austauschbar und ich konnte nicht vorhersehen, wer es sein würde, der an den ersten sechs Toren zurückbleiben würde. Dadurch, dass jeder Charakter so fein ausgearbeitet ist und sich als gleichwertiges Mitglied der Gruppe präsentiert, wurde die Geschichte auch erst richtig spannend, denn ganz egal wer aus der Geschichte ausscheiden wird, es wird den Leser berühren und er wird fortan fehlen.

Es ist spannend zu verfolgen, wie sich die Dynamik der Gruppe entwickelt, welcher Charakter welche Rolle einnimmt und welche Pläne jeder einzelne für das eigene Überleben schmiedet. Die Welten des Labyrinths sind dabei abwechslungsreich. Es ist nicht einmal zu erahnen, was die Gruppe nach dem Durchschreiten der Tore in der nächsten liebevoll und bildhaft beschriebenen, lebensfeindlichen und bedrohlichen Welt erwarten wird. Ohnehin spielt das Nicht-Wissen sowohl für den Leser als auch für die Protagonisten selbst eine große Rolle: Keiner weiß, warum sie in diesen Welten gefangen sind. Keiner weiß, wer sie dort hingebracht hat. Und keiner weiß, wer oder was sie verfolgt. Das bedrohliche Geheimnisvolle ist in ‟Das Labyrinth erwacht“ atemberaubend spannend umgesetzt und macht Lust auf den Rest der Trilogie, denn es bleiben noch so viele Fragen offen, die beantwortet werden wollen.

Entgegen vieler anderer Jugendbuch-Trilogien kommt ‟Das Labyrinth erwacht“ ohne Längen daher – das Spannungsniveau ist durchgehend hoch und die Situation wechselt ständig, sodass der Leser kaum zum Durchatmen kommt. Während ich sonst oft das Gefühl habe, eine Geschichte, die auch als Einzelband hätte erzählt werden können, sei künstlich gestreckt worden, um den aktuellen Trilogien-Trend zu bedienen, hat der erste Band der ‟Labyrinth“-Reihe definitiv - schon durch die Anzahl der interessant und tief gehend beschriebenen Charaktere - den inhaltlichen Umfang, um seine 400 Seiten lückenlos und ohne langatmige Passagen auszufüllen. Dabei ist auch der Schreibstil des Autors als sehr gelungen hervorzuheben. Flüssig zu lesen, abwechslungsreich und stark in den Beschreibungen überzeugt er mit einer ansprechenden Sprache, die beim Lesen Freude macht.

Fazit: Ich bin mehr als positiv überrascht. Dieser Trilogie-Auftakt ist so spannend, dass ich ihn nicht mehr aus der Hand legen konnte und an einem langen Abend durchlesen musste. Hervorragend ausgearbeitete Charaktere, eine düstere, bedrohliche Atmosphäre und jede Menge Spannung zeichnen ‟Das Labyrinth erwacht“ aus. Eindeutige 5 Sterne! Sehr empfehlenswert.