Rezension

Übertrieben und langatmig

Ein wenig Leben, 4 MP3-CDs - Hanya Yanagihara

Ein wenig Leben, 4 MP3-CDs
von Hanya Yanagihara

Bewertet mit 2 Sternen

~~Puh ... soll ich noch etwas zum Inhalt schreiben? Ach, ich glaube, worum es in dem Buch geht, wird in meiner Meinungsäußerung genügend deutlich, denn viel ist das leider eh nicht ...

Ab einem relativ frühen Zeitpunkt begann ich diesen Roman, seine Protagonisten, den Schreibstil usw. nervig zu finden! Dabei ist die Grundidee höchst bedeutsam und existenziell: Junger und schließlich erwachsener Mensch (Jude St. Farncis) entkommt seinen grausamen Kindheitstraumata nicht und versucht trotzdem ein würdevolles Leben zu leben. Ein wichtiges Thema! Doch die Umsetzung war fü mich zum großen Teil ein Griff ins Klo!

1.) Die Charaktere sind maßlos überzeichnet und unrealistisch gezeichnet: Alle vier jungen Männer sind hochbegabt und werden supererfolgreich in der Künstlerszene in New York (außer Jude, aber der wird Staranwalt). Ausnahmslos jeder der vier kommt zu übermäßigem Ansehen und Reichtum, kann sich diverse Häuser, Luxuswohnungen, Urlaube leisten - leider wird auch immer wieder schön darauf hingewiesen. War dies ein besonderes Bedürfnis der Autorin? Auch die Freunde und Bekannten der vier Jungs sind hochanerkannte Universitätsprofessoren, Wissenschaftler, Ärzte, Anwälte etc. Kurz gesagt, dem Leser begegnet hier eine ausnahmslose Kunst- und Bildungselite, mit der ich mich persönlich überhaupt nicht identifizieren konnte. Keine Krankenschwester, Supermarktangestellte, kein Busfahrer oder Autolackierer, keine "normalen" Leute weit und breit.

2.) Protagonist Jude St. Francis ist in meinen Augen ein Gary Stu (das männliche Pendant zu einer Mary Sue, bitte googlen, wem das nichts sagt): hochbegabt, über die Maßen intelligent, einmalig in seinem Leiden, ein Mensch, der ernsthaft psychisch und physisch krank ist, sich nicht helfen lassen will - aber mal locker eine 60 Stunden-Woche in einer Staranwaltskanzlei absolviert! Das wirkte auf mich immer wieder völlig abstrus, manchmal schien es, als habe Jude nächtelang nicht geschlafen, sei völlig ausgelaugt, esse nichts ... Aber brav jeden Morgen geht er zur Arbeit (und nicht selten ins Gericht, in die Öffentlichkeit!) und wuppt diese Arbeitstage locker. Für mich unglaubwürdig duch und durch. Erstaunlich auch, dass Jude ein befreundeter Arzt 24 Stunden zur Verfügung stand (obwohl auch er Familie hatte ...) und ihn immer wieder zusammengeflickt hat.

3.) Die ständigen Wiedeholungen und das ewige Sich-im-Kreise-Drehen waren irgendwann ermüdend. Ständig gab es irgendwelche Thanksgiving Dinner, Urlaube mit den immer gleichen Personen, Arztbesuche, Gespräche über die immer gleichen Themen. Das Buch hätte locker 300 Seiten weniger haben, dafür aber fokussierter sein können. Auch Jude in seiner permanenten Verweigerung, sich helfen zu lassen, sein Abblocken und seine Freunde, die auch aus dieser Co-Abhängigkeit nicht herauskamen ... Wie gesagt, eigentlich ein wichtiges Thema, aber irgendwann ist es genug!

4.) Die Geschichte um die vier Freunde ist leider ohne jeden Bezug zu zeitgeschichtlichen Ereignissen konstruiert, d.h., ich wusste zu keinem Zeitpunkt, in welchem Jahr man sich befand, oder welche gesellschaftlichen Themen aktuell waren (sehr merkwürdig z.B., dass man nicht offen über eine psychotherapeutische Therapie reden konnte, sondern nur verstohlen und als wäre diese etwas Esoterisch-Merkwürdiges ...). So schwebt und wabert dieses Drama vor sich hin, ohne dass man als Leser irgendwelche Bezüge herstellen könnte ...

Es gibt bestimmt noch weitere Kleinigkeiten, über die ich meckern könnte, wenn ich mich mit jemandem über dieses Buch austauschen würde. Doch diese vier großen Kritikpunkte sollen genügen.

Insgesamt war mir dieser Roman zu überzeichnet, übertrieben, überdramatisch, langweilig, zäh und einseitig. Das Ende dagegen fand ich sehr konsequent gewählt.

2 von 5 Sternen