Rezension

Überzeugende Schiderung des Terrorjahres 1977

1977 - Butz Peters

1977
von Butz Peters

Bewertet mit 5 Sternen

Als die in dem Buch beschriebenen Ereignisse stattfanden, war ich dreizehn und wenig an Politik interessiert. Die RAF-Leute waren per Definition böse und allgegenwärtig, so meine Erinnerung. Wenige Jahre später war das Thema immer noch aktuell, wenngleich die Personen, um die es sich im Wesentlichen handelte, entweder in Haft oder tot waren, lediglich das Schicksal einer der Handelnden von damals, Friederike Krabbe ist bis heute ungeklärt. Peters rückt das Jahr 1977 in den Fokus, das Jahr der RAF-Offensive. Vier "Großtaten", der Buback Mord, der Ponto Mord, der gescheiterte Anschlag auf die Bundesstaatsanwaltschaft und die Schleyer-Entführung/seine Ermordung sind in diesem Jahr passiert, letztendlich keine Tat davon letztlich lückenlos geklärt. Bei aller Brutalität dieser Ereignisse wird im Grunde deutlich, wie vermessen die ca. 20 Akteure waren, die glaubten, die Bundesrepublik herausfordern zu können. Nicht nur, dass sie sich und den vermeintlichen Rückhalt in der politischen Linken maßlos überschätzten, bisweilen gingen sie auch recht dilettantisch vor, so bei der geplanten Entführung Pontos, die mit seinem Tod endete oder dem Anschlag in Karlsruhe, bei dem der Raketenwerfer versagte, weil die Zeitschaltuhr nicht gestellt wurde. Fehler wurden auch im Sinne des eigenen Anspruchs, als Volksbefreier aufzutreten, gemacht, wenn etwa unschuldige Touristen, die sich auf dem Rückweg aus dem Urlaub befanden, als Geiseln genommen wurden, um die RAF-Leute der ersten Generation, u.a. Baader und Ensslin freizupressen. Spätestens da, aber eigentlich viel früher, hatten die Beteiligten die Bodenhaftung verloren.

Neben den beschriebenen Vorgängen verdeutlicht Peters, welche unselige Rolle manche der Anwälte der damals bereits in Haft sitzenden Führungsriege der RAF spielten. Mit aufgeblähten Meldungen über angebliche Isolationsfolter schürten sie die Empörung zahlreicher junger Menschen, die eh schon auf Distanz zum Staat standen und trieben sie in den Untergrund, also ihr Verderben, denn einige verloren ihr Leben, andere verbrachten wertvolle Lebenszeit im Knast. (Anmerkung zur angeblichen Isolationsfolter: in Stammheim saßen mehrere der Angeklagten im gleichen Trakt und konnten täglich miteinander kommunizieren, eigentlich ein Unding, bedenkt man die möglichen Absprachen der Beschuldigten). Ebenfalls wird erneut deutlich, welchen unheilvollen Andreas Baader auf seine Leute ausübte. Noch aus dem Gefängnis heraus steuerte er die Aktionen der zweiten Generation, ja setzte diese sogar unter Druck, um sein egoistisches Ziel, die Freiheit, durchzusetzen. Und am Schicksal Susanne Albrechts wird erkennbar, wie schmal der Grat zwischen berechtigter Empörung und Gang in die Illegalität war. Als sozial engagierter Mensch glaubte sie, die vermeintlich ungerechte Behandlung der Stammheimer sei nur mit Gewalt zu bekämpfen. So wurde sie zum Türöffner bei den Pontos, eine Tat, die ihr Leben einschneidend veränderte.

Wer sich für die Problematik der RAF interessiert, wird an diesem Buch nicht vorbei kommen.