Rezension

Um ein Kind zu erziehen braucht man ein ganzes Dorf - für ein Café zwei ganze Familien

Milchschaumschläger - Moritz Netenjakob

Milchschaumschläger
von Moritz Netenjakob

Bewertet mit 3 Sternen

Daniel und seine Frau Aylin wollen die Schließung ihres Lieblingslokals nicht einfach hinnehmen. Aus einer Laune heraus (der Job ist eh grad nicht so spannend) übernehmen die beiden den Laden, der Lachanfälle ihres Postboten und des Finanzberaters zum Trotz. Wie sie dank oder auch trotz ihrer kulturell vielfältigen Familien und Bekannten das Ding wuppen (oder auch nicht) erfährt man in diesem kurzweiligen Büchlein.

Wie bei Jan Weiler (zum Beispiel in 'Maria, ihm schmeckt's nicht') fußt ein Großteil Netenjakobs Humor auf den national bedingten religiösen und kulturellen Differenzen der Familie seiner Frau und den Kölner Urgesteinen in seinem Café. Dass das nicht immer politisch korrekt sein kann, gesteht Daniel als Ich-Erzähler ein und macht sich gleichzeitig Gedanken darüber, warum denn nur die Deutschen mit so etwas Probleme haben. Tatsächlich kam mir persönlich der Humor am Anfang etwas ZU stereotyp vor, aber man liest sich rein. ;p Sympathischer gemacht finde ich es bei Weiler trotzdem. Aber auch andere Klischheebilder - Werbefuzzies, Hipster, Omas mit bissigen Hunden, neumodische Eltern und die Facebook/Instagram-Fütterer bekommen ihr Fett weg. Schmunzeln kann man allemal das ganze Buch hindurch. Und durch die ständige Selbstreflektion und weil alle Figuren nicht ganz so ernst genommen werden, hat man auch alle irgendwie recht schnell lieb.

Der Aufbau von Netenjakobs Roman hat in der Mitte einen zeitlichen Bruch. Da liest Daniel quasi aus seinen Blog vor, was in den letzten Wochen passiert ist. Diesen Umweg über den Blog hätte man sich sparen können. Warum nicht einfach weiter linear erzählen, statt erst zwei Wochen in die Zukunft zu springen und dann doch wieder zu rekapitulieren? Das gefiel mir überhaupt nicht und kam mir irgendwie wie nachträglich geändert vor. Nicht stimmig. Auch der teilweise übermäßige Gebrauch von 'Lautmalerei' ("vooooooooooollllllll") war mir einen Ticken zu viel.

Letztlich war das Buch nicht das, was ich mir von einem 'Café-Roman' (so der Untertitel) erwartet habe. Ich habe viel mehr Kundenstudien, vielleicht auch Auseinandersetzungen mit Lieferanten oder Getränke-Fachsimpeleien erwartet. Dies ist mindestens zu 50% Familienportrait. Nett, ich wollte aber eigentlich mehr in Latte-Macchiato-Stimmung versetzt werden.