Rezension

Umfangreiches und gut recherchiertes Werk über Gerhart Hauptmann zum Ende seines Lebens 1945/1946

Wiesenstein - Hans Pleschinski

Wiesenstein
von Hans Pleschinski

Bewertet mit 4 Sternen

Hans Pleschinski legt mit "Wiesenstein" ein sehr umfangreiches Werk vor, das nach dem Wohnsitz des Schriftstellers Gerhart Hauptmann in Schlesien benannt ist, wo auch die meisten Teile der Handlung spielen.
Die Darstellung beginnt in Dresden im März 1945, kurz nachdem die Stadt durch Bombenangriffe fast vollständig zerstört wurde, und endet mit Hauptmanns Tod im Jahre 1946.
Während große Fluchtbewegungen in den Westen eingesetzt haben, fährt Gerhart Hauptmann mit seiner Frau sowie Bediensteten von Dresden aus in die entgegengesetzte Richtung, um sich nach einem Aufenthalt im Sanatorium nun wieder in seiner Residenz Villa "Wiesenstein" im Riesengebirge einzurichten. Auch über das Kriegsende hinaus bleibt Gerhart Hauptmann mit seiner Entourage in Wiesenstein wohnen; die russischen und polnischen Verwalter halten bis zu seinem Tod die Hand über ihn.

Meine Meinung:
Das Werk ist keine leichte Kost, in die man schnell Einstieg findet und die man nebenher schnell lesen kann. Durch die Mischung von Erlebnisberichten und Zitaten aus den Werken Hauptmanns wird der Lesefluss des Öfteren unterbrochen, und der Zugang fällt zunächst aufgrund der Sperrigkeit etwas schwer.
Im Laufe des Buches werden jedoch Abschnitte - gerade die Beschreibungen der Erlebnisse zum Ende des zweiten Weltkriegs und unmittelbar danach - zunehmend spannend zu lesen. Ich kenne bisher kein Buch, dass die Ereignisse von 1945/46 - gerade auch in Schlesien - so eindringlich beschreibt. Hierdurch habe ich viel gelernt, aber vor allem aber auch die bedrückende Atmosphäre fast hautnah gespürt.

Dem Buch merkt man deutlich an, dass der Autor sehr gut und gründlich recherchiert hat. Das Werk und die Person Hauptmanns werden differenziert aus unterschiedlichen Perspektiven dargestellt, wobei sich der Autor geschickt der verschiedenen handelnden Personen, z.B. Butler, Masseur, Sekretärin, Archivar, Köchin, Gärtner, Ehefrau..., bedient, die alle ihre eigene Sicht vertreten und die Pleschinski gekonnt in Gesprächen reflektieren und zurückschauen lässt.
Als Leser wird man nicht unbedingt ein Freund oder Fan Hauptmanns, aber man bekommt einen sehr guten Überblick und kann auch reflektiert eine zeitgeschichtliche Einordnung vornehmen. Gerade eine kritische Sicht auf Hauptmann, der während des Dritten Reiches in Deutschland geblieben und nicht emigriert ist, wird durch das Buch befördert. Darüber hinaus ist auch die Beschreibung der Kontakte, die der Schriftsteller während seines Lebens hatte, ist sehr interessant, denn natürlich war während des langen Lebens des Nobelpreisträgers viel Prominenz zu Gast bei ihm - ob in Wiesenstein oder im Haus auf Hiddensee oder auch in Italien.

Sehr wichtig fand ich auch die Darstellung der Konflikte zwischen Flüchtlingen und beispielsweise den Bewohnern Schlesiens, die (noch) nicht geflohen waren / vertrieben worden waren, da diese vor allem vor dem Hintergrund der Beschreibung der Gefühlslage - wieder und immer noch - sehr aktuell sind.

Auch wenn die Beschreibungen (gerade im Zusammenhang mit dem Werk oder Gesprächen Hauptmanns) zum Teil recht sperrig zu lesen waren, ist es doch insgesamt ein wichtiges Buch, von dem man sehr lange zehren wird.

Fazit:
Bei "Wiesenstein" handelt es sich sicherlich nicht um leichte Kost; man lernt jedoch eine Menge, nicht nur über Gerhart Hauptmann und sein Werk, sondern auch über ein wichtiges Kapitel deutscher Geschichte.