Rezension

Unabdingbar für Fans, als Appetitmacher für jene, die nur wenig der Autorin kennen

Das Agatha Christie Lesebuch
von Agatha Christie

Bewertet mit 3 Sternen

Das Agatha Christie Lesebuch liegt mir vor in der ersten Auflage 1986 im Scherz-Verlag, mit einem anderen Cover als hier gezeigt. Das Original wird nicht genannt. Es besteht aus einer Ansammlung von:

  •  Ausschnitten der bekanntesten Werke
  • Ausschnitten aus „Meine gute alte Zeit“, der Autobiographie der Autorin
  • Steckbriefen ihrer bekanntesten Personen, Poirot, Hastings, Miss Marple (mit Verweis auf die jeweiligen Bücher in den meisten Fällen – teils erkenne ich die Sätze wieder, soweit ich schon in der chronologischen Lektüre gekommen bin)
  • Hintergründen:  Gift, Opfer, Teezeremoniell, Werksüberblick deutschsprachig damals (Passagier nach Frankfurt erschien ja in deutscher Sprache erst 2008; nach diesem Buch hier bliebe das dem Leser unbekannt)

Aus meiner Sicht ergänzt das Lesebuch noch einiges, auf das ich zumindest bislang noch nicht explizit in den Büchern gestoßen war bzw. setzt es in Zusammenhang, wodurch der Überblick durchaus verbessert wird:
„Hercule Poirot war Belgier, Sohn konservativer Eltern, wuchs in der Nähe von Spa auf und machte in Brüssel bei der Polizei rasch Karriere, eher er sich – als berühmtester Kriminalbeamter seines Landes – 1904 pensionieren ließ.
….
1916 kam Poirot als belgischer Flüchtling nach England… .“ S. 12
Agatha Christie merket aber auch bald, welches Problem sich mit dem Alter ihres Protagonisten ergab: „Welch großen Fehler habe ich damals begangen! Die Folge ist, daß mein erfundener Detektiv heute schon weit über hundert Jahre alt sein muß.“ S. 16.

Die klassische Detektivgeschichte, wie sie Agatha Christie meist schreibt, unterscheidet sich vielfach von heute eher verwendeten Vorangehensweisen: Ziel ist „die Niederlage des Bösen und der Sieg des Guten. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs war der Übeltäter kein Held – damals sonnten wir uns noch nicht in psychologischen Erklärungen.“
…man hat den Verdacht, eine Erklärung à la „schwere Kindheit“ sei nicht die Sache der Queen of Crime gewesen.

Eingestreute Ausschnitte aus den bekanntesten Werken dürfte „Kenner“ vielleicht vordergründig weniger interessieren – sie besitzen sie. Als „Appetithappen“ für diejenigen, die die Autorin generell mögen, aber einzelnes noch nicht gelesen haben – oder vielleicht nur die Verfilmung kennen – eignen sie sich allemal. Eingestreut sind viele Fotos aus bekannteren Verfilmungen, leider ohne Nachweis (z.B. zu „Das Böse unter der Sonne“ aus der Ustinov-Verfilmung, die wohl die bekannteste ist. Interessanter dabei vermutlich eine Kurzgeschichte – vielen dürfte ihr besonderes Talent zu diesem Genre nicht bekannt sein, da ja die „großen“ Werke eher in der Öffentlichkeit stehen. Aber ja, auch „Zeugin der Anklage“ ist eher eine kürzere Geschichte in einer Sammlung, und die Autorin spielt gerade in diesem Genre einiges durch, was ihr Spektrum sehr erweitert (im Lesebuch eine Geschichte über einen Mord, der sich als für den Mörder völlig sinnlos erweist in mehrerlei Hinsicht – was schon mit einer deutlichen Schadenfreude präsentiert wird).

Auch mit einer gehörigen Prise Humor gewürzt ist die Beschreibung des „zweiten Lebens“ der Autorin, die, in zweiter Ehe mit einem Archäologen, in Fachkreisen durchaus Anerkennung erhielt. Als Ausschnitt aus „Erinnerungen an glückliche Tage“ werden amüsant die Reisevorbereitungen geschildert: „Um halb fünf stürzt er [Ehemann Max] mit der hoffnungsvollen Frage in mein Zimmer: ‚Hast du bei dir noch Platz?‘ Lange Erfahrung hätte mich lehren sollen, bestimmt abzulehnen, doch ich zögere, und schon ereilt mich mein Schicksal.
‚Wenn du vielleicht ein oder zwei Kleinigkeiten…?‘
‚Etwa Bücher?‘
Max sieht leicht überrascht drein. ‚Aber natürlich sind es Bücher, was sonst?‘

‚Der Koffer ist ja noch immer nicht voll‘, sagt Max mit unverwüstlicher Zuversicht.

‚Was ist das?‘
„Ein Kleid‘, sage ich.
‚Sehr interessant‘, erwidert Max, ‚mit diesen Fruchtbarkeitssymbolen auf dem Vorderteil.‘
Zu den schwerwiegenden Unannehmlichkeiten, welche die Ehefrau eines Archäologen zu ertragen hat, gehören die fachkundigen Kenntnisse ihres Mannes, woher sich dieses oder jenes völlig harmlose Muster ableitet.

Um neun Uhr morgens werde ich gerufen, um mich als Schwergewicht auf Maxens überquellende Koffer zu setzen.
‚Wenn du sie nicht zubringst‘, sagt Max wenig ritterlich, ‚schafft es niemand.‘ “ S. 105ff

Echte Fans werden wohl nach jedem Schnipsel zur Autorin greifen – für „Einsteiger“ eignet sich das Buch zum Überblick. Wer vielleicht rund 15 Bücher kennt, für den dürfte das Lesebuch eher langweilig und unnütz sein. Ich bedauere sehr die fehlenden Quellennachweise zu den Fotos, Verfilmung, Jahr, gezeigte Schauspieler, Rolle aus dem Buch, die diese spielen.