Rezension

Unaufgeregt und überzeugend

Preiselbeertage
von Stina Lund

Bewertet mit 4 Sternen

Gute Unterhaltung: Nicht zu seicht, klarer, nicht übermäßig dramatischer Problemkreis, differenzierte, interessante Charaktere

Ariane führt kein grandioses, aber auch kein schlechtes Dasein als freie Bild- und Videoredakteurin in Leipzig. Ihre Beziehung ist auch nicht toll, aber offenbar auch nicht schlecht genug, um sich daraus zu befreien. Als ihr Freund sie mit der Nachricht überrascht, dass er gerne mit ihr zusammenziehen möchte, lehnt sie ab, woraufhin ihr Freund die Beziehung beendet. Ariane nimmt sich eine Auszeit und geht nach Schweden, wo sie als Tochter deutscher, ursprünglich aus der DDR stammender Eltern aufgewachsen ist. Vor kurzem ist ihr Vater überraschend gestorben, und Ariane verbringt ein wenig Zeit mit ihrer Mutter, zu der sie aber immer ein distanziertes und irgendwie sperriges Verhältnis hatte. Von ihrem Vater erben Ariane und ihre Schwester ein Manuskript, dessen Existenz die Mutter vehement leugnet. Und was macht eigentlich der Wildhüter Viggo bei der Testamentseröffnung?

Abwechselnd in der Gegenwart und in Rückblenden in der Zeit vor und rund um die Wende spielend, erzählt der Roman die Geschichte von Ina und Jörg aus Leipzig, die sich in Schweden ein neues Leben aufgebaut haben, sowie ihrer Töchter Ariane und Jolante, zwei sehr unterschiedliche Charaktere, die erst mal als Schwestern wieder zusammenfinden müssen, nachdem Ariane Schweden als junges Mädchen verlassen hatte, um sich an einem Leben in der ursprünglichen Heimat ihrer Eltern zu versuchen.

Der Roman erzählt eine solide konzipierte Geschichte um eine Familie, in der zu viele Geheimnisse lange unter Verschluss geblieben sind. Dabei kommt er ohne übermäßiges Pathos oder überzogene Dramatik aus. Die Ereignisse sind realistisch, die Charaktere interessant und differenziert. Besonders überzeugen konnten mich die Gegensätze zwischen der beengenden DDR-Gesellschaft und dem Westen, insbesondere dem liberalen Schweden. Rührend fand ich es beispielsweise, wie Ariane als DDR-Bügerin auf Chorreise in Schweden auffällt, dass alle Menschen im Publikum nicht nur bunte, sondern auch passende Kleidung tragen.

Gute Unterhaltung. Nichts, was man nach all den Jahren deutsch-deutsche Beziehungen nicht schon woanders gelesen hätte, aber nett verpackt, ohne große Effekthascherei und mit der überzeugenden Darstellung einer Familie, in der sich alle eigentlich recht gerne mögen, die aber lange Zeit so etwas wie ein loser Verbund von Einzelpersonen gewesen war, weil ihnen zu viele Steine aus der Vergangenheit sowie sie sich selbst im Weg standen.