Unbeschreiblich schön - traurig und witzig, liebevoll und stark ★★★★★
Bewertet mit 5 Sternen
James und Byron sind die besten Freunde. 1972 sind sie elf Jahre alt und ihre Welt gerät aus den Fugen: es werden zum ersten Mal in der Geschichte zwei Schaltsekunden eingefügt. Für Byron ist das unvorstellbar und als seine Mutter einen Unfall in der ("verbotenen") Digby Road hat und dabei ein kleines Mädchen anfährt und das gar nicht bemerkt, ist für Byron klar, dass daran diese zwei Sekunden schuld sind. Er versucht, das allein zu regeln, aber er scheitert. Also erzählt er seiner Mutter von dem kleinen Mädchen mit dem roten Fahrrad. Danach wird alles anders ...
Rachel Joyce hat mich von der ersten Zeile an in eine längst vergangene Zeit entführt und mich alles um mich herum vergessen lassen. Ich hing quasi an ihrer Feder und sog jedes Wort in mir auf. So unglaublich und unvorstellbar manche Szenen waren, sie waren absolut schlüssig und keine Sekunde dachte ich: "Sowas gibt es doch gar nicht!". Im Gegenteil, ich wusste ständig, dass alles ganz genau so kommen musste. Das heißt nicht, dass alles absehbar war, nein, ganz und gar nicht. Hinterher, wenn wieder ein unglaubliches Ereignis eintrat, hatte ich das Gefühl, so irre das ist, es musste so kommen.
Byron ist ein so taprerer kleiner Junge, man möchte ihn so gern beschützen. Rachel Joyce zwingt den Leser nicht dazu, Byron zu mögen. Sie hält in ihrem Erzählstil zu jeder einzelnen Figur genug Distanz, dass jeder selbst entscheiden kann, welche Protagonisten sympathisch sind oder auch nicht. Aber sie legt Fährten, die falsche Schlüsse zulassen und zeigt dem Leser damit, dass auch das Herz manchmal nicht so gut sieht.
Am Ende glaubt man, man muss etwas tun. Aber was nur? Es ist doch "nur" ein Roman, die Personen gibt es doch gar nicht. Und selbst wenn es sie gäbe - ändern kann man doch nichts mehr an dem, was in all den Jahren geschehen ist. Unglaublich, wie stark dieses Buch unter die Haut geht, wie es verzaubert, verändert, wirkt und nachhallt.
Es gäbe noch so viel darüber zu sagen, aber das schaffe ich nicht, ohne zu spoilern und/oder das halbe Buch zu erzählen. Deshalb kann ich nur raten: kaufen!
Volle Punktzahl, eine absolute Leseempfehlung und im Herzen der Wunsch, recht bald mehr von Rachel Joyce zu lesen. Ein Ausnahmetalent in meinen Augen! Dieses Buch ist eines der "Herzensbücher", die ich nicht weitergebe, weil ich immer wieder darin blättern möchte.