Rezension

unerwartet viel Tiefe

Virtuosity - Liebe um jeden Preis - Jessica Martinez

Virtuosity - Liebe um jeden Preis
von Jessica Martinez

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Virtuosity - Liebe um jeden Preis " ist ein Fantasy-freier Jugendroman von Jessica Martinez.

Inhalt: Die 17-jährige Carmen ist trotz ihrer jungen Jahre bereits eine Weltklassegeigerin, auch wenn sie ihre Nervosität nur mit Tabletten in den Griff bekommt. In den nächsten Wochen steht einer der wichtigsten Wettbewerbe ihres Lebens an, der Guarneri-Wettbewerb in ihrer Heimatstadt Chicago. Als sie ihren ärgsten Konkurrenten kennenlernt, den ebenfalls 17-jährigen Briten Jeremy King, ist sie zunächst von seiner Arroganz genervt, doch sie fühlt sich auch zu ihm hingezogen. Entgegen aller Warnungen lässt sie sich auf ihn ein und beginnt dabei ihr junges Leben zu hinterfragen...

"Virtuosity" hat mich besonders durch seinen ungeahnten Tiefgang überzeugt. Der Charakter der Ich-Erzählerin Carmen war einfach ganz anders, als ich ihn erwartet hatte. Sie mag ein Star sein, doch in Wirklichkeit ist sie einsam und unglücklich. Sie hat keine Freunde, da sie nicht zu High-School geht, sondern zu Hause privat unterrichtet wird. Die nur wenige Jahre ältere Lehrerin Heidi ist in vielen Dingen ihre einzige Bezugsperson und Freundin. Ihr Vater und dessen Familie begangen erst, sich für sie zu interessieren, als sie berühmt wurde, und ihre Mutter, die gleichzeitig auch ihre Managerin ist, weint noch immer ihrer eigenen, vorzeitig beendeten Karriere als Opernsängerin hinterher und versucht nun ihren Traum durch ihre Tochter zu leben - um jeden Preis.

Das Alles wird Carmen erst langsam bewusst, als sie Jeremy kennenlernt, der, obwohl sie als Geiger fast identische Lebensläufe haben, so ganz anders ist als sie. Seine Lebensfreude und Offenheit hat sie nicht, dafür eine Stradivari, gekauft von den reichen Eltern des desinteressierten Vaters, und ihre Tabletten, die ihre Unsicherheit und Nervosität unterdrücken sollen und sie dabei komplett abstumpfen lassen. In nur wenigen Tagen lernt sie an Jeremys Seite so viel neues kennen, was ihr bisher im Leben entgangen ist, dass sie beschließt etwas zu verändern, obwohl ihre Mutter nicht müde wird, sie vor Jeremys Absichten als ihr einziger ernstzunehmender Konkurrent zu warnen und die Geige immer zwischen den beiden steht.

Damit thematisiert der Roman unerwartet viele Schattenseiten einer frühen Karriere und lässt diese am Beispiel der Ich-Erzählerin Carmen auch noch sehr glaubhaft und authentisch wirken. Die Protagonistin macht dabei eine ungeheure Entwicklung durch, die interessant mitzuverfolgen ist und diesem Jugendbuch mehr Tiefe gibt, als für dieses Genre zu erwarten wäre.
Auslöser für Carmens Entwicklung ist die Liebesgeschichte mit Konkurrent Jeremy und der Konflikt, der dadurch zwischen ihr und ihrer Mutter entsteht. Die junge Liebe entwickelt sich langsam und sehr romantisch, aber auch schwierig und nicht ohne Intrigen. Ich fand sie weder überzogen noch kitschig. Es hat mich berührt und mit gut gefallen.

Wie der Prolog schon erahnen ließ, gipfelt alles zum Ende hin in einem großen Drama und das ist der einzige Kritikpunkt, den ich habe: Es war einfach eine Prise zu viel. Zu viel Drama bei Carmen, zu viel Familienleid bei Jeremy, dessen Umgang damit für mich nicht wirklich zu seinem Charakter passte, sondern für mein Empfinden nur dazu diente eine möglichst schockierende Wendung einzubauen, und ein bisschen zu viel Kitsch für alle Beteiligten am Ende. Der Kitsch der vorher fehlte, hat da doch noch zugeschlagen.

Gestaltet ist der Roman sehr schön. Das vertäumte, gedruckte Cover passt wundervoll zum Inhalt, wenn ich es auch ein wenig zu kindlich finde, selbst für eine Altersempfehlung ab 14 Jahren. Auch der Schreibstil ist überzeugend, liest sich flüssig und übermittelt durch die Ich-Perspektive sehr schön die Gefühlslage der Protagonistin Carmen. Der deutsche Titelzusatz "Liebe um jeden Preis" ist in meinen Augen allerdings überflüssig und klingt eher nach schlechtem Groschenroman als nach der schönen Geschichte, die sich wirklich dahinter verbirgt.

Fazit: Ein schönes Jugendbuch mit unerwartet viel Tiefe. Wäre das Ende mir nicht ein wenig zu überdramatisch und anschließend kitschig erschienen, wäre es perfekt. So schwanke ich zwischen 4 und 5 Sternen. Letztendlich fällt für mich das Bisschen "zu viel" für das Finale aber gar nicht so stark ins Gewicht und das Buch bleibt mir sehr positiv in Erinnerung. Daher mit leichten Abstrichen, 4.5 von 5 Sternen.