Rezension

Ungewöhnlich und beeindruckend!

Walled City - Ryan Graudin

Walled City
von Ryan Graudin

Bewertet mit 4.5 Sternen

Zum Inhalt

Jin Ling ist auf der Flucht vor den Straßengangs und auf der Suche nach ihrer Schwester Mei Yee. Verkleidet als Junge kämpft sie sich Tag für Tag durch die eingepferchte, grausame Welt voller Mörder, Diebe und Drogendealer. Sie schafft es immer wieder, ihnen zu entwischen, denn niemand läuft so schnell wie Jin Ling.

Dai ist ebenfalls in Hak Nam unterwegs, der Stadt Hinter den Mauern, und wie der Zufall es will, kreuzen sich die Wege der beiden. Und obwohl sie ein unterschiedliches Ziel vor Augen haben, ist Mei Yee am Ende ihr beider Schicksal.

Meine Meinung

Das ist ein sehr ernstes und außergewöhnliches Buch. Was völlig anderes, was ich sonst lese; eine Herausforderung, die mich sehr positiv überrascht hat, nachdem ich mich eingelesen hatte.

Die Stadt hinter den Mauern, Hak Nam, wurde von der Autorin durch ein reales Vorbild erschaffen. In Honkong gab es tatsächlich eine Walled City innerhalb einer militärischen Festung, ein Slum, in dem sich der "menschliche Abschaum" gesammelt und versucht hat, irgendwie zu überleben. Regiert von gewissenlosen Drogenbossen, Dieben und Mördern, mussten auch Kinder und andere mittellose Menschen ums Überleben kämpfen.

Die Kapitel sind ein Countdown. Noch 18 Tage, die Dai zur Erledigung seines Auftrags zur Verfügung stehen. Man weiß nicht genau, was er vorhat oder welche Schuld er auf sich geladen hat - nur nach und nach ergeben die wenigen Informationen einen Sinn.

"Ich bin kein guter Mensch." S. 16

Das sagt er von sich selbst und ist überzeugt, dass seine Fehler nicht wieder gut zu machen sind. Aber er wirkt sehr feinfühlig und einsam, verfolgt von seinen Fehltritten, gedrängt in eine Mission, die ihm sein Leben wieder zurückgeben soll.

Die Abschnitte werden in der jeweiligen Ich-Perspektive von Dai, Jin Ling und Mei Yee erzählt. Auch die beiden Mädchen haben ein hartes Schicksal hinter sich und jede versucht auf ihre Weise, weiterzuleben. Während Jin Ling ein Ziel vor Augen hat, mutig ist und sich zur Wehr zu setzen weiß, ist Mei Yee in eine dumpfe Apathie verfallen. Aber auch mit ihrem zarten Gemüt hat sie es verstanden, inmitten einer Hölle zu überleben und gibt nicht auf, obwohl sich ihr keine Chance auf Rettung bietet. Sie ahnt nicht, wie sehr die Zeit drängt, um sie daraus zu befreien.

Der Schreibstil erschien mir anfangs etwas bündig. Die Sätze waren oft recht knapp und haben das Tempo vorangetrieben. Gleichzeitig gab es aber auch sehr intensive, aussdrucksstarke Stellen, die mich sehr berührt haben und zu Herzen gehen. Die Autorin jongliert mit Worten und Metaphern und hat in ihrem fluchtartigen Stil immer wieder kleine Blüten, die dem trostlosen Hintergrund ein paar Farbtupfer verpassen.
Diese kleine Welt "Hinter den Mauern" ist ein erschreckender Ort voller Grausamkeit und den vagen Hoffnungen und Träumen, die unerreichbar scheinen.

Ich war sehr fasziniert von dieser Mischung und auch betroffen von der rohen Gewalt und den brutalen Momenten, in der nur der Stärkere überlebt. Für ein Jugendbuch ein sehr bitteres Thema, das aber auch zeigt, für sich und andere Menschen einzustehen.

Beeindruckend sind die Fotos hinten im Buch: ein Modell und zwei Aufnahmen von der originalen Kowloon Walled City, Hongkong in den 80er Jahren.

Infos dazu findet ihr z. B. bei Wikipedia

Fazit

Walled City ist ein zaghaftes, aber rasanates Feuerwerk inmitten einer düsteren Trostlosigkeit, die sich in der harten und grausamen Realtiät widerspiegelt. Ein Hoffnungsschimmer, der getragen von Mut den Silberstreifen am Horizont verspricht und mit viel Temperament auf ein überraschendes Ende hinführt.

© Aleshanee
Weltenwanderer