Rezension

Unglaublich tolle Fantasygeschichte, die an ein Märchen erinnert.

Das dunkle Herz des Waldes - Naomi Novik

Das dunkle Herz des Waldes
von Naomi Novik

Bewertet mit 4.5 Sternen

Agnieszka ist eine tollpatschige Jugendliche, die es immer wieder schafft mit neuen Flecken nach Hause zu kommen. Sie wohnt in einem Tal, das sowohl an einen Wald als auch an einen Fluss grenzt. Flecken jeglicher Art sind also vorprogramiert. Trotzdem kann sich Agnieszka nicht vorstellen das Tal jemals zu verlassen und das obwohl jenseits des Flusses der Dunkle Wald liegt. In ihm gibt es das Böse, das bedrohlich seine Schatten auf das Dorf wirft. Einzig der "Drache", ein begabter Zauberer, hält den Dunklen Wald davon ab das Tal zu verschlingen. Er fordert nur einen Preis: Alle 10 Jahre wählt er ein junges Mädchen aus, das ihm bis zur nächsten Wahl dienen soll. Auch diesmal muss wieder ein Mädchen ihre Familie verlassen und zu dem Drachen ziehen. Alle sind sich sicher das seine Wahl auf Kasia, Agnieszka's beste Freundin, fallen wird. Sie ist tapfer, schön, anmutig und klug - alles was Agnieszka nicht ist. Doch als der Drache dann zur Wahl erscheint, ist es nicht Kasia die er wählt, sondern Agnieszka.

Rezension:
So, wie fange ich meine Rezension an ohne direkt wieder in höchsten Tönen zu schwärmen? Hm. Am besten mit der Aufmachung des Buches.
Das Cover finde ich genial. Ich stehe ja total auf Cover mit Mädels in Kleidern. Hier nimmt das Mädchen aber nicht 3/4 des Covers ein, sondern sie steht quasi am Eingang eines Waldes. Es ist zwar nur ein Waldausschnitt, aber ich finde die kleinen Details echt schön, wie zum Beispiel die Vögel oder das Gewächs am Baumstamm. Ganz toll finde ich aber, wie gut das Cover den Inhalt des Buches wiederspiegelt. Man sieht wirklich, wie sich jemand Gedanken bei der Covergestaltung gemacht hat.
Naomi Novik nimmt uns mit in eine Fantasywelt voller Magie und Abenteuern. Dabei ist der Schreibstil zu Beginn recht gewöhnungsbedürftig. Die Sätze sind manchmal ziemlich verschachtelt oder haben doch eine eher ungewöhnliche Satzstellung, sobald man sich daran aber gewöhnt, lässt sich das Buch flüssig lesen. Der Weltenaufbau klingt dabei erstmal recht simpel. Es gibt zwei Länder, die miteinander im Krieg sind. Unsere Protagonistin wohnt in einem Tal, das umgeben ist von Bergen und Wäldern. Der Wald spielt dabei eine besonders wichtige Rolle, denn er ist "böse". Wer ausversehen zu nah ran geht oder auch nur eine verdorbene Frucht aus diesem Wald isst, wird von einem Übel befallen. Einem Übel, das nur darauf aus ist Hass und Tod zu verbreiten. Um die Bewohner zu schützen, wurde ein Magier zum Tal geschickt, der dort schon seit Jahrhunderten den Wald im Zaum hält. Dieser Magier ist "Der Drache". Er gilt als der stärkste Magier des Landes. Alle 10 Jahre wählt der Drache ein Mädchen aus dem Tal aus, um bei ihm im Turm zu leben. Warum er das tut, wissen die Bewohner nicht, sie können nur Vermutungen anstellen. Da der Drache aber ihr Herr ist, stellt sich auch niemand gegen diese Regel.
Wir haben also eine doch recht klassische Fantasywelt mit Magiern, Kriegern und magischen Wesen. Das macht den Weltenaufbau an sich jetzt erstmal nicht sonderlich besonders, aber der atmosphärische Schreibstil lässt einen sofort eintauchen. Das ganze wird nämlich quasi wie eine Geschichte erzählt, Wie ein Märchen. Unsere Protagonistin, Agnieszka, erzählt dabei was sie erlebt hat.
Agnieszka ist eine Protagonistin, die mir von der ersten Seite an sehr gut gefallen hat. Zu Beginn der Story ist sie ängstlich und unsicher, mit der Zeit reift sie aber zu einer starken und vor allem selbstbewussten Protagonistin heran, die weiß was sie will. Sie liebt ihr Tal, sie liebt ihr Freunde und sie würde alles tun um sie zu beschützen. Dabei geht sie manchmal ziemlich unbedacht vor, weiß aber später mit ihrem Können zu überzeugen. Sie hat ein ganz anderes Verständnis von der Magie, was bei den meisten Zauberern zu einem kopfschütteln führt.
Ihr zur Seite steht der Drache. Ein Mann, der schon seit Jahrzehnten lebt, aber nicht zu altern scheint. Er ist ungeduldig, braust schnell auf und meidet die Menschen so viel es geht. Dabei ist er auch öfter mal sarkastisch und wirkt gemein. Es hat einige Zeit gebraucht bis ich mich an ihn gewöhnt habe und ich bin mir ziemlich sicher das es einige Leser geben wird, die ihm nichts abgewinnen können. Er ist kein perfekter Zauberer, der stets freundlich und bemüht ist. Auch ist er kein charmanter Bad Boy und er ist erst Recht kein strahlender Held in Rüstung. Er haut auch manchmal gerne Beleidigungen raus, die einen erstmal geschockt vor dem Buch sitzen lassen. Andererseits passen diese ganzen Unperfektheiten so gut zu ihm, das ich wirklich überrascht war wenn er auch mal eine andere Seite von sich zeigt. Die beiden harmonieren so perfekt zusammen, das ich mir zum ersten mal seit langem mehr Liebesgeschichte gewünscht habe.
Unglaublich ich weiß. Das ich sowas einmal schreiben würde..unvorstellbar.

Die beiden üben eine Anziehungskradt aufeinander aus, die man beim lesen schon förmlich knistern hört. Aber keiner der beiden Dickköpfe gibt sich dem so wirklich hin. Die Liebesgeschichte fällt also eher begrenzt aus.
Jetzt kann man sich natürlich fragen, womit dieses Jugendbuch denn dann gefüllt ist, wenn die Liebesgeschichte so knapp ausfällt. Meine Antwort darauf ist: Mit Abenteuern. Es passiert wirklich STÄNDIG irgendwas. Ob Agnieszka nun was neues lernt oder ob der dunkle Wald mal wieder eine Boshaftigkeit ausgeheckt hat um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Es passiert einfach dauerhaft was, sodass das Buch wirklich nie langweilig wird. Primär geht es also darum den dunklen Wald zu besiegen, allerdings ist das leichter gesagt als getan. Die einzelnen Probleme bauen aufeinander auf und entladen sich später zu einem wirklich tollen Finale. Die Kämpfe sind immer spannend und die Autorin schreckt auch nicht zurück mal einen Nebencharakter sterben zu lassen.
Den einzigen kleinen Kritikpunkt den ich jetzt noch anmerken kann ist, das sich das Buch wirklich lang anfühlt. Das eBook hat so an die 500 Seiten und oft hatte ich nach 20 Seiten schon das gefühl ich hätte 50 gelesen. Meine Vermutung ist, das es einfach an der Fülle von Ereignissen liegt. Man kann als Leser teilweise recht wenig durchatmen, da es eher weniger ruhige Kapitel gibt. Das Buch ist NICHT langatmig, das auf keinen Fall, allerdings musste auch ich es öfter mal aus der Hand legen und eine Pause machen.
Das Ende hat mich sowohl sehnsuchtsvoll aus auch befriedigt zurückgelassen. Tatsächlich musste ich ein paar Tage warten, bis ich diese Rezension schreiben konnte. So sehr war ich noch gedanklich bei Agnieszka und Co. Sowas schaffen auch nur Bücher, die mich begeistern konnten.
Abschließende Meinung:
Für mich war dieses Buch definitiv ein Jahreshighlight. Wer Lust auf ein tolles, actionreiches Jugendbuch mit viel Fantasyflair hat, ist bei "Das dunkle Herz des Waldes" genau richtig. Was mich definitiv überrascht hat, ist die heiße Liebesgeschichte, die ruhig etwas mehr Kapitel hätte bekommen dürfen. Subjektiv würde ich dem Buch am liebsten keinen Abzug geben, aber Objektiv gab es dann doch Kleinigkeiten die man hätte besser machen können.